Die heraldische Lilie
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Macht und der Lehre innerhalb ihres Kreises gerichtet ist; so daß sie in der Neuzeit,
iach dem vatikanischen Konzil von 1870, sicherlich und ganz ohne Vergleich die un—
eschränkteste und am meisten absolutistische Regierungsgewalt der Erde darstellt.
Die Schwierigkeiten, die in jener Frage selbst liegen, sind eben zu groß. Auch wenn
sich die gelehrtesten und mindestens dann, wenn das Wissen ausschlaggebend sein
oll, die berufensten über diese Frage unterhalten, also 3. B. wenn Knöpfler von
der katholisch⸗theologischen Fakultät in München ein Buch Adolf Barnacks von der
wangelisch⸗theologischen Fakultät in Berlin, „über das Wesen des Christentums“,
despricht, wird der, dem es nicht um Dialektik, sondern um lebendige Uberzeugungen
zu tun ist, nicht allzuviel davon gewinnen; auch wenn ihm im übrigen dabei der
Standpunkt des katholischen Beurteilers einfacher und folgerichtiger scheint; nämlich
zaß er den, den er für das größte sittliche Genie oder wenigstens für das zur
weitreichendsten Wirkung gekommene sittliche Genie der Menschheit hält, einfach ver⸗
gottet, d. h. über menschliches Begreifen hinauszuheben sucht, um so sein Gewicht
und seine Wirkung auf die menschlichen Gemüter zu erhöhen. Dieses Verfahren ist
oielleicht etwas primitiv, oder sagen wir künstlerisch, mythologisch und verrät darin
eine gewisse Angst vor dem Denken. Aber es gibt doch wenigstens etwas greifbareres
und verständlicheres, als der „liberale“ evangelische Theologe wie Harnack.
Das Wesen des Christentums besteht wahrscheinlich in der Lehre von der Frucht⸗
harkeit des Martyriums, des Leidens. Und es steht deshalb über dem sonst, 3. B.
darin, daß er in seinen höchsten Formen jeder Göttersage entbehren zu können
zlaubt, sehr hochstehenden Buddhismus; denn der Buddhist fürchtet das Leiden und
will es selbst um den Preis der Verneinung alles Lebens vermeiden. Er stellt nicht
von den drei Ehrfurchten (Goethe, Wilhelm Meister) — Ehrfurcht vor dem, was
in uns ist, was über uns ist, was unter uns ist, — diese an die oberste Stelle;
die Ehrfurcht vor dem Niedrigen, vor dem Leiden: das Martyrium oder den frei⸗
willigen Opfertod. Ranke drückt dies einmal ganz nüchtern und darum um so ein⸗
drucksvoller so aus: „Jesus hatte seinen Tod mit aller Bestimmtheit kommen sehen;
aber er wußte, daß dadurch seine Lehre bekräftigt und gerettet werde.“ — Wenn
die christliche Lehre von der Fruchtbarkeit des Martyriums wahr ist, dann liegen
darin auch Hoffnungen für das deutsche Volk; daß aus dieser furchtbaren Knechts⸗
lage, in der wir heute sind, unseren Enkeln eine um so größere völkische Zukunft
erblühen werde.
Es scheint fast ein Gesetz der geistigen Entwicklung zu sein, daß Stiftungen
und Einrichtungen mit geistig⸗sittlichen Zielen sich mit der Zeit völlig verändern, ja
in ihr Gegenteil verkehren, wenn ihre Vertreter zu äußerer Macht und wirtschaft⸗
üchen Erfolgen gekommen sind; wenn der Beruf aufgehört hat, Opfer zu fordern.
Rirchlicher Zusammenschluß der Gläubigen will natürlich ursprünglich das religiöse
ceben des Einzelnen stärken. Auf einer gewissen Entwicklungsstufe aber, wenn eine
Rirche zu staatlicher Macht und Alleinherrschaft gelangt ist, wird sie dem wirklichen
religissen CLeben ihrer Mitglieder allemal feind; weil dieses Leben naturgemäß immer
eigenbrödlerisch ist. Auf einer gewissen Entwicklungsstufe sind Kirchlichkeit und
Religiosität Gegensätze; wie der Theologe Paul Gottfried Drews einmal sehr richtig
gesagt hat. Die katholischen Theologen in Deutschland, die in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts zunächst ihre Uberzeugung gegen die herrschende Kirchengewalt
eingesetzt und sich schließlich doch fast alle „löblich“ unterworfen haben, aber auch
die evangelischen Berliner Hoftheologen, die früher eifrig zu Hofe gingen, aber
andererseits nach der großen Meuterei vom 9. November 1918 „sich den Ver⸗
hältnissen anzupassen“ wußten, hat es offenbar gar nicht nach der Krone des
Martyriums gelüstet; „nur kein Opfer“. Es scheint eben tatsächlich ein Naturgesetz
zu bestehen, daß geistige Einrichtungen nur so lange wirkliches Leben haben, als
JIunaqg. Germanische Götter und Belden?