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Die Bandverschlingung
Jakob Grimm übersetzt das Wort ligatura, das zusammen mit
phylacteriis verboten wird, als Fadenverknüpfung. Die Richtigkeit
dieser Auffassung ist bezweifelt worden. Ich führe folgende volks—
kundliche Tatsache dazu an. Im Jahre 1920 fragte auf einem Gute
bei Rosenheim die Viehmagd, als Viehseuchen im Cande waren, bei
der Gutsherrin an, ob sie einen Knoten aus einem Strohseil am Stalle
aufhängen dürfe; das halte die Seuche vom Stalle ferne. Der Knoten
wird in ganz bestimmter Weise geknüpft und am Dachfirst aufgehängt.
Die vielfachen Bandverschlingungen und Verknotungen, die uns
an vorgotischen Denkmalen, meist an bedeutsamer Stelle, wie im
Türbogen, begegnen, wo die bösen Geister vom Eintritt abgehalten
werden sollen, haben sicher eine Zauberbedeutung.
Ich bringe zunächst als verhältnismäßig einfache Form
des Knotens den von der Schwertslocher Kapelle.
Die AÄhnlichkeit mit der NKune, Naudh, die auch
Derknotung bedeuten soll, ist groß. Trotzdem spreche
sch nur gerade die Vermutung eines Zusammen—
hangs aus wie für die an der gleichen Stelle be—
findlichen Zeichen der dreiflammigen Kerze, die an
die Ziurune erinnern. Die Verknotung findet sich in
Schwertsloch unter einer bärtigen Gestalt mit Flü—
geln, die wohl den Erzengel Michael darstellt, wenn auch der eben—
falls vorhandene CLindwurm nicht unmittelbar in Verbindung mit
ihm gebracht ist. Am Regensburger Schottentor (s. Abb 10) steht
der Zauberknoten (rechts oben).
An dem inneren älteren Turm des Wetzlarer Doms, aus dem
2. Jahrhundert, nach Dehio, finden sich auf dem durch eine Mittel—
äule gestützten Bogenfeld des Turmeingangs links und rechts je
ein dem Schwertslocher sehr ähnlicher großer und recht auffälliger
Schnörkel oder Knoten. Die Anordnung der beiden Schnörkel in
Entsprechung legt ja hier die Auffassung nahe, daß die Schnörkel
bloß ziermäßig als Raumausfüllung gedacht sind. Man hat auch
an Kreuzzugserinnerungen gedacht. In Bagdad am Talismantor
findet sich ein sehr ähnlicher Schnörkel. Dieses Wetzlarer Kirchen—
tor heißt im Volksmunde das Heidentor. Das beweist immerhin so
biel. daß man das Fremdartige und Unchristliche daran empfand.
An dem mehrerwähnten Bogenfeld aus Pforzheim (siehe 5. 245)
hqaben die Bandverschlingungen wohl sicher eine bestimmte Zauber—
bedeutung; das geht aus der Verbindung mit den andern Bildern,
den Untieren, dem Hahn, dem bärtigen Kopf mit hoher Wahrschein—
lichkeit herpor