Ausblicke
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Geschichte ist wie ich glaube die geistige Wurzel der europäischen
Geschichte,“ formulierte der englische Geschichtsforscher Kingsley.
Aber den schärfsten Ausdruck für das hier gemeinte hat der fran—
zösische Kirchengeschichtler Montalembert gefunden; und ganz ähn—
lich der französische Staatsmann Guizot, indem sie nämlich auf die
Gesinnung abstellen, die als eigentlicher Lebenskeim und erhaltende
Triebkraft jeder besonderen Gesittungsform vorhanden sein muß.
Montalembert sagt, „Freiheit und Ehre, das ist es, was Rom
und der Welt seit Augustus Zeiten fehlte, und was wir unseren
germanischen Vorfahren, den Barbaren, verdanken“.
Ehre und Gewissen haben, ist vielleicht der unvorgreiflichste
Ausdruck dafür; was man auch Ehrfurcht haben, Religion haben
nennen kann. Und unter „Freiheit“ kann Montalembert nur ver—
stehen, eigenes Verantwortungsgefühl, persönliches Gewissen; daß
man die schwierigsten Entschlüsse auf die eigene Gewissensüberzeu—
zung gründet und nicht auf ein äußeres Sittengesetzbuch.
England — oder wir müssen heute schon sagen der allbritisch—
allamerikanisch⸗alljüdische Weltkonzern mit seinem gallischen Tra—
banten — wird ohne Zweifel eines schönen Tages erfahren, was
Rom wenige Jahrhunderte nach der Errichtung seines Weltreichs
erfahren hat; daß ein menschliches Zusammenleben nicht auf die
Dauer bestehen kann, wenn man alle Verbindungen unter den
Menschen auf den ausschließlichen „Nexus der Barzahlung“ zurück—
führen will; wie Carlyle die ja schon zu seiner Zeit in England
stark vorgeschrittene Mammonisierung und Mechanisierung der Welt
bezeichnet hat.
Carlyle hoffte eine Genesung der Welt durch den deutschen
Gedanken; die Gegner, das heißt die Anhänger der geldmächtlichen
Denkweise, befürchteten das gleiche. Darum mußte der Deutsche
und der deutsche Gedanke erschlagen werden; „weil man von ihm
die neuen Gedanken erwartet“ (Cothar Bucher, Aus England, 1853).
Es hat sich an Rom gerächt, daß es geglaubt hat, ohne geistige
und sittliche Kräfte auszukommen; daß es Hellas, die Mutter der
hellenistischen und damit auch der römischen Kultur, politisch ver⸗
aichtet hat. Es wird sich auch an England rächen, daß es das Mutter—
und der Nordseekultur, Deutschland, politisch vernichtet hat. Für uns
ist das freilich nur ein schwacher Trost. „In keinem andern Cande
außer etwa in Hellas hat der menschliche Gedanke sich so frei ent—
falten können wie in Deutschland,“ sagt Heinrich Heine, dem man
gewiß keine Voreingenommenheit für Deutschland nachsagen kann.
Griechen und Deutsche sind die eigentlich schöpferischen Völker im
Heistesleben Europas, sagt Heinrich von Treitschke. Und sie haben
Jung, Germanische Götter und Belden. 22