Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

Der Untergang der alten Götter 
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Rachen entzwei; dadurch findet der Wolf seinen Tod“28) (Gylfa⸗ 
ginning). 
Die Bildhauereien an der Nordseite der Regensburger Schotten⸗ 
kirche St. Jakob will J. A. Endres aus dem Hohenliede erklären 
Das St. Jakobsportal, Kempten 1905; Stschr. für christl. Kunst, 
804). Der gelehrte und feinsinnige Priester hat sehr reichen Stoff 
zusammengetragen zur Unterstützung seiner Deutung. Aber das 
Hohelied ist ein gefährliches Gebiet. Die kirchliche Deutung hat es 
bekanntlich fertig gebracht, die heißen CLiebesgedichte des Hohenliedes 
aufzufassen als geistliche Huldigung an die Kirche. Daß das Hohe⸗ 
lied nicht so gemeint war und daß diese Deutung später hinein— 
getragen ist, darüber ist man sich doch heute einig. 
In einer Ebersberg⸗-Münchener Handschrift des U. Jahrhun— 
derts ist eine ostfränkische Übersetzung des hohen Liedes erhalten. 
„Der Winter ist hin, der Regen ist vorüber, die Blumen scheinen in 
allem Lande, des Rebenschnittes Zeit ist da. Die Stimme der Turtel— 
tauben wird vernommen in unserem Cande. Die Weingarten blühen 
28) An dem Stuttgarter Kunstausstellungsgebäude von Cheodor Fischer finden 
sich Säulenköpfe, die dürch die Berchtesgadener angeregt zu sein scheinen. Wie viel 
reizwoller sind sie als die sonst üblichen von den Bauschulmeistern vorgeschriebenen 
Säulenköpfe der griechischen Baukunst; schon wegen ihrer Vielgestaltigkeit und der 
Liebe zum Werk, die man darin spürt, daß der Künstler jeden Säulenkopf als ein 
selbständiges und besonderes Werk gestaltet hat, unbeschadet ihrer Einfügung in den 
Gesamteindruck. — Dem neuen Stuttgarter Theater von Max Littmann steht eine 
reiche Säulenhalle vor, mit jonischen Säulenköpfen; sehr groß von Abmessungen, in 
dem schönen Sandstein, der bei Stuttgarter Bauten vorherrscht. Wie öde ist doch 
im Grunde die ewige Wiederholung dieser beiden Schnecken. Durch die Jahr⸗ 
tausende schleppen sie sich nun hin; weil, als vor mehreren Jahrtausenden ein chal—⸗ 
däischer Baumeister auf den Gedanken kam, den Palmbaum als Stütze zu verwenden, 
er die Palmwedel zusammenrollte und fesimachte, damit sie nicht so unordentlich in 
der Cuft herumführen. Dieser von v. Luschan sehr wahrscheinlich gemachte Ursprung 
des jonischen Kapitäls ist wirklich ein erschütterndes Beispiel dafür, wie unverstandener 
aAller Kulturballast durch die Jahrtausende mitgeschleppt wird, weil die Menschen 
Bewohnheitstiere sind und sich so gern mit dem vorhandenen Gedankenvorrat be—⸗ 
gnügen. Die Nachahmung dieser Palmwedel in Stein ist übrigens geradezu häßlich; 
denn sie weckt, sobald sie als jene Nachahmung nicht mehr verstanden wird, die 
unangenehme Vorstellung von einem weichen Stoff, der durch den Druck von oben 
seitlich herausgequetscht wird. — Ein ebenso anschauliches Beispiel dafür, wie sich die 
Menschen an alte Formen anlehnen, um sich die geistige Anstrengung neuer Lösung 
zu ersparen, ist die Form unserer Tintenflaschen, die in Glas die Form eines Holz⸗ 
kasses mit Reifen nachahmten, weil das römische Glasgewerbe am Rhein, dessen 
Betrieb den Untergang des römischen Reichs überdauerte, von Germanen oder Kelten 
das nordische Boßzfaß kennen gelernt hatte und dann in dem ihnen geläufigeren 
Glasstoff wiedergab; vgl. Bericht des historischen Museums der Pfalz Vr. 1, 8. 12. 
Die sog. Bubenschenkel, die bei besonderen Gelegenheiten, u. a. wenn der Rhein 
zugefroren ist, auf dem Eise des Rheins zwischen Magontiacum (Mainz) und Kastellum 
Aastel) von den Kasteler Bäckern hergestellt werden, haben eine besondere Form, um 
als Opfergaben zu dienen; nämlich sie sind Sinnbilder der Fruchtbarkeit in einer 
grob⸗deutlichen Form, die, — man kann sagen glücklicherweise — nicht mehr ver— 
ftanden wird. Aber die Überlieferung des Bäckergewerbes hält sie nun bald zwei—⸗ 
tausend Jahre fest.
	        
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