Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Der Untergang der alten Götter 
Es hat sich die sogenannte Schottenlegende erhalten, in einer 
Handschrift, die man dem Ende des 13. Jahrhunderts zuschreibt. 
Sie enthält eine Reihe von Erzählungen und Berichten zur 
Verherrlichung der Schottenbrüderschaft.ss) In dieser Schotten— 
— D0 
heerschar der Franken und den heidnischen Bayern, die „hunnen“ 
genannt werden; auf einem Schlachtfeld zwischen Salzach und Inn, 
bei Otting. Da bringt in höchster Not ein Reiter, der auf weißem 
Rosse vom Himmel herniedersteigt, den Sieg. Das ist, wie schon 
mehrfach hervorgehoben wurde, offenbar eine Erinnerung an den 
Siegbringer Wodan.7) 
Ich schließe mich nicht der Deutung Quitzmanns und Sigharts 
aus der Götterdämmerung schlechthin an. Ich behaupte nicht, daß 
der bärtige Mann im Königsmantel am Schottentor (siehe Abb. 10) 
Wodan darstelle, wenn ich diese Deutung andererseits auch nicht 
gerade für unmöglich halte. Insbesondere halte ich sicher für nicht 
richtig, aus den zusammengepreßten Knien dieser Gestalt etwas be— 
sonderes zu schließen, wie dort geschieht; daß das eine Zauberstellung 
sei und Wodan so die Geburt der neuen christlichen Welt verhindern 
wolle. Die nach innen gewendeten zusammengepreßten Knie treten 
oielmehr bei einer großen Zahl der Gestalten am Schottentor und 
auch anderweit (Isen) auf. Sie erklären sich meines Erachtens ein— 
fach aus einer künstlerischen Unbeholfenheit, ähnlich wie die ägyp— 
tische Flachbildhauerei die Vorderansicht des Kopfes vermeidet und 
diesen sowie die Beine immer in der Seitenansicht gibt, auch wenn 
die Brust von vorn gesehen ist. So will offenbar hier der Künstler 
die verkürzte Ansicht der Beine in der Sitzstellung vermeiden und sie 
möglichst in der ihm anschaulicher scheinenden Seitenansicht geben; 
dazu muß er, wenn er die Gestalt im übrigen sitzend von vorn gibt, 
die Beine so verdrehen.s8) 
Allgemein kann man dagegen meines Erachtens folgendes be— 
stimmt sagen. Daß an der Außenwand der Kirchen vielfach die dem 
Christentum feindlichen Mächte im Bilde festgehalten wurden, um 
sie zu bannen, dafür gibt es eine ganze Reihe von Beispielen. Mit 
Vorliebe wird der untere Teil des zur Verfügung stehenden Raums 
360) Vgl. A. Dürrwächter, Die Gesta Caroli MNagni der Regensburger Schotten- 
legende, 1897. Der irische Verfasser der Legende schreibt die wunderbare Glaubenskraft 
seiner irischen Landsleute dem Umstande zu, daß „das christenmörderische Volk der 
Juden sich seinem Heimatlande ferngehalten habe“. 
) So auch Kampers, in einer Besprechung der oben genannten Dürrwächter— 
schen Schrift, Historisches Jahrbuch der Görresgesellschaft, 1898, 5. 95. 
s8) Vgl. das Cor der Pfarrkirche zu Isen, Bezirksamt Wasserburg; vgl. auch 
die Männlein an der Kirche in Biburg bei Abensberg in Niederbayern.
	        
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