Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Der Untergang der alten Götter 
am Rande stehen. Der Koder wird schon ursprünglich in oder für 
Regensburg geschrieben sein (J. C. Heer, Ein karolingischer Mis⸗ 
sionskatechismus 5. 47). 
Zwischen dieser urkundlich belegten Heidenmission und den Bild— 
hauereien von Freising, Berchtesgaden, Regensburg liegt nur ein 
Zeitraum von rund zwei Jahrhunderten. Es ist also unrichtig, daß 
die vorchristlich«germanischen Vorstellungen damals nicht mehr so 
lebendig im Volk gewesen sein könnten, als daß eine Deutung jener 
Bildhauereien aus der germanischen Sagenwelt wahrscheinlich sei. 
Glaubensgeschichtliche und sagengeschichtliche Entwicklungen pflegen 
sehr lange Zeiträume zu umfassen; das Volk hängt mit Ge— 
bräuchen und mündlichen Überlieferungen unglaublich zäh an seinem 
alten Besitz. Was die Bußbücher vor tausend Jahren bekämpft 
haben, wird noch heute im Volke geübt, wie oben nachgewiesen wurde. 
Im Verzeichnis der heidnischen und abergläubigen Gebräuche aus 
dem 8. Jahrhundert ist ausdrücklich verboten, die Heiligenbilder um 
die Felder zu tragen (de simulacro, quod per campos portant); es 
geschieht aber heute noch. Der schon vom liptinischen Konzil 745 
berbotene Leichenschmaus „lebt bis auf den heutigen Tag im bay— 
rischen Volke fort“; (von Chlingensperg⸗Berg, Das Gräberfeld von 
Reichenhall; Fr. Ant. Mayer, Ingolstadt 1824, Über die vom lip— 
tinensischen Konzil aufgestellten Gebräuche). 
Alboin, König der den Bayern verwandten und benachbarten 
Cangobarden, zwang die gewaltsam zu seiner Gattin gemachte gepi— 
dische Königstochter Rosamunde, aus der zum Trinkgefäß umgear— 
beiteten Schädeldecke ihres erschlagenen Vaters zu trinken. Das galt 
schon damals als ein urtümlich roher Brauch, und Alboin erlag der 
Blutrache der Rosamunde. Im Kirchenschatz von Au am Inn, un— 
weit nördlich Wasserburg, wird ein erst verhältnismäßig spät im 
Mittelalter gearbeitetes Trinkgefäß, aus der Hirnschale des heiligen 
Oitalis, aufbewahrt; „die abgesägte innere, mit vergoldetem Silber 
gefaßte Hirnschale des heiligen Vitalis diente zu gewissen Anlässen als 
Trinkgerät, ähnlich wie in Ebersberg das Cranium St. Sebastiani“ 
Kunstdenkmäler des Kgr. Bayern, Bd. J, Oberbayern). 
In der dem heiligen Cubentius geweihten Kirche zu Diet— 
kirchen an der Lahn wurde bis zum Jahre 1630 ein silbernes 
Schiffchen aufbewahrt und gezeigt als eine angebliche Weihegabe 
alter Zeit an den heiligen Lubentius. Dieses silberne Schiffchen ist 
sicher eine vorchristliche Weihegabe gewesen, die sich hier, an der 
alten Mahl- und Tempelstätte, erhalten hatte. Man hat in Vord— 
deutschland und Dänemark vielfach eine ganze Anzahl solcher Schiff⸗ 
Hen beisammen in Niederlagefunden festgestellt; sie werden ein—
	        
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