Rolandssäule, Irmensul
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den Strunk (Säule) sei das Wort ter, das alte Wort für Baum
getreten, Wachhol⸗der, Affol⸗-ter, vgl. englisch tree.
heinrich von Herford berichtet, daß die Sachsen im Jahre IIIä
nach ihrem Sieg am Welfesholz über Kaiser Heinrich V. ein Stein—
bild errichtet hätten, den Thejodute oder Thiodut; das Bild eines
Geharnischten, der auf einer Säule steht mit einem Schwert, einer
Keule und einem Schild. In der Schlacht habe auch ein Weiden—
stamm Zeter und Jodutte gerufen, als der Sieg zuerst zweifelhaft
schien für die Sachsen.
Eine braunschweigische Reimchronik von 120 berichtet, wie
Beatrix, die Tochter des durch Otto von Wittelsbach ermordeten
deutschen Königs Philipp von Schwaben, zur Verfolgung des Mör—
ders die Hilfe des Gegenkönigs Otto anruft, im Vertrauen auf die
Ritterlichkeit des Gegners.ẽta)
In einem züchtigen Fall
legt Beatrix, das Mägdelein,
das so schön war und fein,
sich vor des Königs Füße nieder
mit großem Harme schrie sie: Sidher
und bat über den Mörder Rache,
der ihren Vater ohne Ursache
ermordet hatte und erschlagen.
„Die Chronik hat einen eigentümlichen oberdeutschen oder hoch—
deutschen Grundton, sei es, daß sie eine individuelle Sprachmischung
des Verfassers oder die dem späteren Hochdeutschen zugrunde liegende
Mmischsprache der Kaiserhöfe ist“ (Petersen a. a. O. S. 246).
Beatrix, durch ihren Vater eine Enkelin Kaiser Friedrich Bar—
barossas, wird diese Sprache gesprochen haben. Der Name des
s14) Otto war der Gegenkönig des Ermordeten und durch den Fall ihres Vaters
entlastet. Das Vertrauen der Beatrix auf die Ritterlichkeit des Welfen wurde trotzdem
nicht enttäuscht; der König lieh der Tochter seines ermordeten Feindes seine Unter⸗
stützung. — In den Zeiten des gemeinsamen Bandenüberfalls der Mindereuropäer
oder eüuropäischen Randvölker auf den Curopäer, den Deutschen, klingt solche Ritter—
lichkeit wie eine ferne Sage. — Als 1912 die Balkanstaaten über den Cürken her⸗
fielen, der sich grade eines räuberischen Überfalls der Italiener zu erwehren hatte,
erinnerte ein Franzose — wenn ich nicht irre, Pierre Loti — seine Landsleute daran,
daß die Araber in Algerien 1870 einen Aufstand planten gegen die französische Herr⸗
schaft in Nordafrika; daß sie aber davon Abstand nahmen, als der deutsch-französische
Krieg ausbrach, weil sie es für unvornehm hielten, die Notlage der Feinde derart
auszunutzen. Es waren halt Araber, „thumbe Heiden“, die so dachten.
Sollte je wieder ein Franzose oder Engländer oder gar ein Amerikaner, welch
etztere ja erst in diese „ehrenvolle“ Gemeinschaft eintraten, nachdem Deutschland drei
Jahre lang gegen eine fünffache Übermacht gekämpft hatte, etwa die Stirne haben,
ihr beliebte Wort vom kair play, vom guten und gerechten Kampf, in den Mund
zu nehmen?