Full text: Germanische Götter und Helden in christlicher Zeit

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Rolandssäule, Irmensul 
Schwertgottes wird angerufen, um Zeugen und Rechtsschutz gegen 
Gewalttat herbeizurufen; das Gerüfte ist zugleich die Ankündigung 
der gewaltsamen Selbsthilfe und die Bitte um Rechtsschutz durch die 
Gemeinschaft. Der letztere Zweck ist der alleinige, wenn nach Cage 
der Sache ein wirksamer Selbstschutz nicht mehr in Frage kommt, etwa 
weil der Verletzte wie hier Beatrix selber nicht stark genug ist zur 
Selbsthilfe. Überall ist das gerichtliche Verfahren oder die Bitte des 
Verletzten um Rechtsschutz durch die öffentliche Gewalt ursprüng— 
lich aus der geordneten und von der Gemeinschaft gebilligten Selbst— 
hilfe hervorgegangen; in der römischen wie in der deutschen Rechts— 
geschichte trit das besonders klar hervor. Caßt zunächst einmal 
selber Hand ab vom Streitgegenstand (mittite ambo hominem), sagt 
der Prätor; und er befiehlt, zunächst und bis zu seiner Entscheidung 
über die Rechtslage die begonnene Selbsthilfe einzustellen; mit die— 
sem kraft des Gerichtsbannes (imperium) gegebenen Friedensbefehl 
beginnt das gerichtliche Verfahren. In der Anevancsklage des deut— 
schen Rechts zeigt sich diese Herkunft des richterlichen Rechtsschutzes 
aus der Selbsthilfe des Verletzten ebenfalls noch sehr deutlich. Der 
Begriff Recht hat, wie schon Grotius und Schopenhauer hervor— 
gehoben haben, zunächst einen verneinenden Inhalt; Recht ist, was 
nicht Unrecht ist; Recht habe ich, wo ich innerhalb einer Gemeinschaft 
gegen einen Genossen dieser Gemeinschaft Gewalt anzuwenden in 
der Lage bin, ohne daß die Genossen und der beteiligte Gegner sich 
demgegenüber auf den Rechtsfrieden in der Gemeinschaft berufen, 
diese Gewaltanwendung selber als Friedensstörung ansehen können. 
„Das Schwert, welches unsere Rolande tragen, ist keine Kriegswaffe 
— die Scheide hängt nicht am Gürtel —, sondern ein Sinnbild; das 
eine der beiden Schwerter, welche, nach dem Sachsenspiegel, Gott 
dem Erdreiche verlieh zur Beschirmung der Christenheit . . . dem 
Papst das geistliche, dem Kaiser das weltliche“ (Georg Sello, Der 
Koland von Bremen S. 25). 
Das Schwert, die Waffe des Kriegs, ist zugleich das Sinnbild 
der Rechtspflege und des Gerichts. Das Gemeinsame ist dabei seine 
Aufgabe der Friedensbewahrung. „Wo das Schwert nicht wäre und 
Frieden hielte, müßte alles, was in der Welt ist, durch Unfriede ver— 
derben“, sagt Luther einmal. Die deutsche Staatsgewalt entwickelt 
sich merkwürdigerweise tatsächlich und geschichtlich derart, daß dieses 
eigentliche und ursprüngliche Wesen der öffentlichen Gewalt, die 
Wahrung des Friedens, geradezu in begrifflicher Reinheit hervor— 
tritt. Der Germane billigt der Gesamtheit nur sehr widerstrebend 
und widerwillig die für die Durchführung ihrer Aufgaben notwen— 
digen Befugnisse zu. Deshalb tritt die öffentliche Gewalt zunächst nur
	        
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