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Rolandssäule, Irmensul
haben. Durch eine besondere geschichtliche Beziehung, nämlich unter
Kaiser Siegismund dem LCLuxemburger, der auch Markgraf von
Brandenburg war, ist der niedersächsische Schwertträger als an
seinen südlichsten Punkt (außer dem andersartigen Roland der Hel—
densage in der Stadt Bernadietrichs, in Verona, die ja so zahlreiche
Verbindungen zum Norden und zum deutschen Wesen hat) nach
Ragusa gekommen. In der Fremde, wo er nicht einheimisch und
volkstümlich war, bedurfte er natürlich besonders der Erklärung.
Line Aufzeichnung von 1440 sagt über diesen ragusanischen Roland:
„Diese Säule werde Orlandus genannt und trage ein Schwert als
Zeichen der Gerichtsbarkeit “5608
„Die ungemeine Verbreitung der Rolandsäulen in vielen
Städten des nördlichen Deutschland (außerhalb Niedersachsen, West—
falen, Obersachsen und Thüringen kommen sie nicht vor, namentlich
auf fränkischem Boden nicht) ist merkwürdig genug. Ihr bloßer Be—
zug auf den Marktbann oder die Ausübung der Gerechtigkeit reicht
nicht aus. Der Sitte des sächsischen Volks, solche Säulen aufzurichten,
muß ein uralter, wahrscheinlich noch in dem Heidentum wurzelnder
Grund untergelegt werden. Die Benennung nach Roland ist später,
schwerlich vor dem 12. oder 13. Jahrhundert, hinzugetreten. Unter
einem Volksstamm, der früher an die Irminsäule gewohnt war, be—
greift sich das Haften der Rolandsäulen ohne Mühe (vgl. Deutsche
Mythologie 5. 692). Es scheint, daß die älteren Götterbilder nach
der Bekehrung noch eine Zeitlang als Heldenbilder mit teilweise oder
gänzlich verändertem Namen geduldet wurden.“ Vgl. Jahrbücher
für wissenschaftliche Kritik, 1844, Sp. 804, Besprechung von J. M.
Lappenberg, Bremische Geschichtsquellen.
Diese Besprechung rührt von keinem geringeren als von Jakob
Grimm her, dem Begründer der deutschen Geistesgeschichte. Grimm
erwähnt nicht den Platz, wo eine sichere geschichtliche Überlieferung
und ein noch heute vorhandenes Denkmal Irmensul und Rolandsäule
zusammenbringen: das Städtchen Obermarsberg im Sauerland.
Dort steht heute noch eine, freilich späte Rolandsäule; dort hat Karl
der Große im Juli 772 eine Irminsul zerstört, nachdem er die
Sachsenfeste Eresburg, die das Heiligtum barg, oder in deren dichter
Nähe es stand, erstürmt hatte. Dieser Vorgang wird von verschie⸗
denen Quéͤllen, unter anderen den Lorscher Jahrbüchern, berichtet.
s9 Zeitschrift der Savignystiftung für Rechtsgeschichte, germ. Abt., Bd. XXX,
S. 399: nae quidem columna charrus et Orlandus dicitur, ensem manu tenentis,
in signum justitiae, quae ibi exercetur. Roland apud Langobardos statua armati
bomidis gladium ferentis, hoc jus supremum, quod jus gladii. ostendentis.