Rolandssäule, Irmensul
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Freilich ist der Obermarsberger Roland in seiner heutigen Ge—
stalt sehr spät, nämlich von einer Erneuerung von 1737. In der In⸗
schrift wird die Gestalt als St. ) Rolandus bezeichnet. Doch läßt
noch diese Erneuerung von 1737 erkennen, daß sie ein älteres Vor—
bild vor Augen hatte. Wichtiger aber ist die schriftliche Überlieferung
dazu:
O Mars, du vermeinter Gott,
Hier steh ich dir zum Hohn und Spott,
Hor Zeiten riefen dich die Heiden an,
Jetzt rufen wir im wahren Glauben Christum an.
Das ist ein Zug, der, wie auch der Irrtum des Bildhauers und
Stifters, daß sie von einem heiligen Roland sprechen, den doch die
Kirche nie gekannt hat, diesem Obermarsberger Roland, soweit ich
sehe, allein gehört. Der Staatsrechtler und Deutschrechtler Zöpfl so8)
schrieb dazu in seinen Altertümern des deutschen Reichs und Rechts:
Der Verfasser der Inschrift betrachtet wohl den Roland selbst als
einen christlichen Heiligen. Er bringt ihn nach der allgemein ver—
breiteten Sitte, alles Alte auf Karl den Großen zurückzuführen, auch
mit diesem Kaiser in Verbindung. . . Der Verfasser der Inschrift
sagt darnach, dieses Standbild des angeblichen heiligen Roland sei
ein Trutzbild gegen den früher an diesem Ort verehrten Heidengötzen,
den er Mars nennt. Da nun aber bei oder auf der Eresburg einer
der Hauptsitze des Kultus des unter dem Namen Irmin oder Aer
oerehrten Schwertgottes, des deutschen Mars, war, so enthält diese
Inschrift eine unverkennbare Andeutung, daß die Rolandsäule an
die Stelle der Irminsäule getreten ist.“
Zöpfl sieht eine Bestätigung dieser seiner Ansicht noch weiter
darin, daß die Kirche, die an der Stelle des Heiligtums des Schwert⸗
gottes geweiht wurde, gerade dem schwertführenden Apostel. dem
Petrus, geweiht wurde.
Bedeutsamer noch scheint mir, daß eine örtliche Volksüberliefe—
cung die Unterkirche der Obermarsberger Stiftskirche von altersher
als Heidenkeller bezeichnet (vgl. J. W. Fischer, Die Eresburg 5. 39).
Es wird noch vielfach im Cauf der in diesem Buch geführten Unter—
suchungen darauf hinzuweisen sein, wie zuverlässig solch alte Über—
lieferung des Volks meist ist; wenigstens solange sie nicht durch Ge—
lebrte und Schrifttum verwirrt wird.
Die Zerstörung des alten Götterbildes der Sachsen durch die
Franken beschäftigte die Zeitgenossen lebhaft; hatte sie doch auch eine
*6) Ich entnehme die angeführten Worte Zöpfls dem Buche von Johann
Wilhelm Fischer, Die Eresburg, Ober⸗ und VRiedermarsberg; Paderborn 1889.
ogl. noch zu der ganzen Frage als sorgfältige Stoffsammlung: Bernhard Kahlmann,
Eresburg und Irmensul; Paderborner Gymnasialprogramm, 1899.
Jungqe. Germanische Götter und Belden.