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Rolands säule, Irmensul
große machtstaatliche Bedeutung, weil die Widerstandskraft des
Sachsenvolks gegen die fränkische Übermacht einen guten Teil ihrer
Stärke aus der Anhänglichkeit an den alten Volksglauben zog.
Den deutschen Mannen gereicht's zum Ruhm,
daß sie gehaßt das Christentum,
bis Herrn Karolus leidigem Degen
die edlen Sachsen unterlegen. GEGoethe.)
Eudwig der Fromme soll bei der Grundlegung des Klosters
Corvey die Irmensäule wieder gefunden haben, die Karl der Große
nach ihrem Umsturz dort hatte vergraben lassen. Die Säule wurde
nach Hildesheim in den Dom verbracht, wo noch jetzt eine Steinsäule
als solche gezeigt wird. Sie ist allerdings gründlich verchristlicht. Sie
ist geschliffen, trägt oben ein Marienbild und ringsum erzene Cicht—
träger. Aber die Überlieferung ihrer unchristlichen Vergangenheit
besteht, wie erwähnt, noch heutigen Tags. Eine ältere, am Fuße der
Säule befindliche und auf Arminius den Cheruskerfürsten bezogene
Inschrift, zu dessen Ehren die Säule nach der Meinung einiger er—
richtet worden sein soll, lautete: Einst war ich Herzog und Gott der
Sachsen. „Gegenwärtig ist leider von dieser Inschrift keine Spur mehr
vorhanden“, fügt der Geschichtsschreiber hinzu, dem ich die Nachricht
entnehme.s6)
Dieser letztere Umstand, nämlich daß die Kirche noch in verhält—
nismäßig später Zeit diese Schrift entfernen zu lassen für gut hielt,
ist ein ssarker Beweisgrund dafür, daß jene Überlieferung des Volks
von der heidnischen Herkunft der Säule zutreffend war. Die Ver—
mutung für die Richtigkeit einer Volksüberlieferung ist von vorn⸗—
herein dann gegeben, wenn diese Überlieferung sich gegen den Wider—
stand der beherrschenden Gewalten durchsetzen und erhalten konnte.
Line solche Lebenskraft der Überlieferung ist nur erklärlich, wenn
sie einen festen Boden im Volke hatte, und dieser feste Boden ist eben
in den meisten Fällen die geschichtliche Erinnerung des Volks an eine
wirkliche Begebenheit. Und die Kirche würde nicht ihr schweres Ge—
schütz auffahren, wenn sie das nicht wüßte.
Wenn die Archive des Vatikans einmal reden werden, wird man
in ihnen ganz sicher unvergleichlich viel mehr und zuverlässigeren
Stoff über alten deutschen Volksglauben finden als wir daheim in
unserer in jeder Weise von Staat und Kirche verfolgten und deshalb
teils vernichteten teils in alle möglichen Verkleidungen gezwungenen
s6) G. v. Schmid, Die säkularisierten Bistümer Teutschlands, 1888, Bd. 1,
5. 2058: Saxorum olim ego Dux fui et Deus, adorat me populus Martis: quae
me veneratur gens aciei cornua gubernari concedo.