28 J Das Cölner Osterdienstags-Protokoll.
Aus diesen Worten, die weithin in Deutschland und über seine
Grenzen hinaus ein unverkennbares, mächtiges Echo gefunden haben,
weht uns allerdings ein ganz anderer Geist entgegen, als aus den Aus
führungen, welche uns die eigentliche Stimmung und Gesinnung der
Cölner Zehnmänner gegen die evangelischen Volksgenossen offenbaren.
Nach dem „Protokoll“ ist in der Osterdienstags-Versammlung der Aus
spruch gefallen: „Von hundert Protestanten seien ja neunund—
neunzig nicht mehr Christen!“
Angenommen auch, daß es sich hier um eine gefälschte Wieder—
gabe der Worte des betreffenden Redners handelt, wie wir gern annehmen
wollen, so darf doch der finstere Gedanke einer kultur- und
verfassungswidrigen Absonderung von unsern protestantischen
Mitchristen, wie er in jener Versammlung verfochten ist, bei uns Ratho—
liken niemals Wurzel fassen. Der große Ringkampf der Geister, welcher
sich zwischen den verschiedenen Uonfessionen auf deutschem Boden abspielt,
wird am allerwenigsten durch Erklusivität und „prononzierte“
Protestantenfurcht zu gunsten der katholischen Kirche beeinflußt. Nur
dann ist der Sieg unser, wenn wir mutig in diese Welt der Gegensätze
hinausgehen mit der felsenfesten Überzeugung in der Brust: Die katho—
lische Wahrheit hat nichts zu fürchten! und wenn wir heilig ent—
schlossen sind, durch Taten echt christlicher Liebe alle Gegen—
sätze von innen heraus zu überwinden.
8s. Der stärkste Trumpf endlich, welcher von der Zehnmänner—
liga im Verlauf ihrer Verhandlungen stets von neuem ausgespielt wird,
ist der Hinweis auf den Modernismus. Mit der Notwendigkeit, die
modernistische Gefahr zu beschwören, rechtfertigen die Herren ihre ganze
Aktion, und ihre Gegner im katholischen Lager werden von ihnen des
Modernismus beschuldigt. Dazu ein kurzes Wort! Seit geraumer Zeit
muß man in Deutschland je länger, je mehr die Erfahrung machen, daß
extrem gerichtete Ratholiken ihre katholischen Gegner, die auf dem Gebiete
der Wissenschaft, der Literatur, der Politik, der sozialen Fürsorge usw.
weniger extreme Grundfsätze vertreten, als Modernisten vor der Offent—
der 55. Generalversammlung der Katholiken Deutschlands in Düsselderf vom
16. bis 20. August 1908, 8. 448/449.