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Vorrede.
zunächst von keinerlei praktischen Rücksichten beeinflusste, für
ihre Lehren den grösstmöglichen Grad von Allgemeinheit an-
strebende, also möglichst „ökonomisch“ verfahrende, gleich-
sam um ihrer selbst willen zu betreibende mathematische
Wissenschaft, welche das Mittel liefert, auch „die in der Natur
vor sich gehenden Bewegungen vollständig und auf die ein-
Fachste Weise zu beschreiben.“ Diese zweite Auffassungsweise
antspricht vorzugsweise dem Standpunkt der Universität; ist ja
doch die Universität von Alters her die für die Pflege der reinen
Geisteswissenschaften. bestimmte Stätte. Aber die technischen
Hochschulen haben eine andere Bestimmung. Der Technik
wegen ins Leben gerufen, müssen sie auch die Forderungen der
Technik als Richtschnur unverrückt im Auge behalten.
Welche Forderungen stellt nun die Technik an die Mechanik?
oder mit anderen Worten: Wie ist die Mechanik zu behandeln,
wenn sie den Forderungen der Technik gerecht werden soll?
Hierfür kann uns der dem Techniker so überaus wichtige Zweig
ler Mechanik, die Festigkeits- und ‘Elastieitätslehre, einen deut-
lichen Fingerzeig geben.
Bei diesem bedeutungsvollen Fache des Ingenieurs pflegt
man an den technischen Hochschulen zunächst die speciellen Fälle
des Zuges, Druckes, der Biegung und Torsion von Stäben in ein-
yehendster Weise durchzunehmen, dabei stets in Fühlung mit den
wirklichen Verhältnissen bleibend, und erst dann, wenn die
aöfhigen genauen Einsichten in die betreffenden, praktisch so
wichtigen Einzelheiten erzielt sind, sich auf einen allgemeineren,
höheren Standpunkt zu erheben und die allgemeine mathematische
HMlastieitätstheorie folgen zu lassen. Dass dieser bei der Elasticitäts-
und Festigkeitslehre an den technischen Hochschulen eingeschla-
yene Weg thatsächlich der richtige ist, darüber herrscht kein
Zweifel.
Was aber für den einen Theil der Mechanik des Ingenieurs
sich bewährt hat, das dürfte auch für das Ganze vorbildlich
sein. Demgemäss erschiene es Verfasser verkehrt, an den tech-
nischen Hochschulen die für zukünftige Ingenieure bestimmte
Mechanik gleich von möglichst allgemeinem Standpunkt aus, als
analytische oder theoretische Mechanik zu behandeln,
hierbei die praktische Verwerthung der gewonnenen Resultate
'm wesentlichen den. betreffenden speeciellen Ingenieurfächern
überlassend. Nein! Zunächst eine den Bedürfnissen des In-
genieurs' besonders Rechnung tragende, auch auf die Anwen-
aäungen ein Hauptgewicht legende technische Mechanik und
Jann erst für Weiterstrebende eine von allgemeineren. höheren