338 XI. Die chemische Verwandtschaft.
zustande kennt; dies ist aber bei heterogenen Systemen stets dadurch
zu erzielen, dass man die heterogenen Anteile mechanisch trennt und
einzeln der Mengenbestimmung oder Analyse unterwirft.
Man überzeugt sich von der Stichhaltigkeit dieser Erörterung,
wenn man die oben (S. 297—302) geschilderten Zustände des hetero-
genen Gleichgewichts von diesem Gesichtspunkt aus untersucht, Ob
es sich um Änderungen des Aggregatzustandes, um Lösungen, um allo-
trope Modifikationen, um die Einwirkung von Säuren auf unlösliche
Salze, die Zerlegung von Wasserdampf durch Eisen, von Baryumcar-
bonat durch Kaliumsulfat handelt, stets lassen sich die Mengen, deren
Kenntnis zur Definition des Zustandes erforderlich, entweder durch
unmittelbare Gewichts- oder Volumbestimmung, oder durch analytische
Handgriffe mehr oder weniger einfacher Art ermitteln. Was die Quan-
titätsbestimmung anlangt, bedürfen daher die chemischen Methoden
keiner besonderen Erörterung.
Es soll darauf hingewiesen werden, dass sogar in gewissen Fällen des
homogenen Gleichgewichts chemische Methoden anwendbar sind, nämlich
dann, wenn die möglichen Vorgänge so langsam verlaufen, dass man die
analytische Operation in einer Zeit ausführen kann, während welcher der
untersuchte Zustand sich nicht merklich ändern kann. Von diesem Kunst-
griff haben z. B. Berthelot und Pean de St. Gilles in ihrer Arbeit über Ester-
bildung Gebrauch gemacht, indem sie die nach Eintritt des Gleichgewichts
noch übriggebliebene freie Säure durch Titrieren mit Barytwasser und Lak-
mus bestimmten. Auf derselben Voraussetzung, die hier freilich etwas zwei-
felhaft ist, beruhen auch die Versuche von Krecke (1871), die aus Ferri-
salzen in verdünnten Lösungen unter bestimmten Umständen abgespaltenen
Mengen kolloiden Eisenoxyds zu bestimmen, indem er dieses durch einen
Zusatz von Kochsalzlösung zum Gerinnen brachte. Endlich hat W. Ostwald
einige später zu besprechende Arbeiten über die Geschwindigkeit chemi-
scher Reaktionen unter ähnlichen Bedingungen ausgeführt.
Die Verwandtschaft zwischen Säuren und Basen.
Zweites Kapitel.
Unter den zahllosen chemischen Vorgängen, deren Kenntnis für
die Theorie wie für die Praxis von Bedeutung ist, nimmt der der
Salzbildung eine besonders hervorragende Stellung ein. Die grosse
Analogie der Reaktion bei buntester Mannigfaltigkeit der reagierenden
Stoffe, Säuren und Basen, gewährt die Möglichkeit eines vergleichenden
Studiums an einem ungewöhnlich vielseitigen Material. So hat denn
die Untersuchung der Vorgänge bei der Bildung und Umsetzung von