Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

Elektrochemische Beziehungen. 
‘62 
Viertes Kapitel. 
Elektrochemische Beziehungen. 
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Die vorstehend geschilderten Ergebnisse der Untersuchungen über 
die chemische Verwandtschaft, welche sich in dem Ergebnis zusammen- 
fassen lassen, dass die Wirkungen dieser Kraft durch be- 
stimmte, den wirkenden Stoffen angehörige und von der 
Natur des Vorganges unabhängige Koeffizienten geregelt 
werden, haben zunächst einen rein empirischen Charakter. Es ist 
in ihnen kein Umstand enthalten, welcher zu irgend einer Vorstellung 
über die Ursache eines derartigen Gesetzes führt. Unzweifelhaft kann 
man sagen, dass eine und dieselbe Ursache diesen Erscheinungen zu 
Grunde liegen und sie quantitativ bestimmen muss; welcher Natur 
aber die Ursache ist, und welche Verhältnisse die Reaktionsfähigkeit 
der verschiedenen Stoffe, Säuren und Basen, bedingen, bleibt unbekannt. 
Die Aufklärung ist hier auf einem Wege gekommen, welcher der 
neueren Entwicklung der Chemie ziemlich fern lag. Nachdem die von 
Berzelius eingeführten elektrochemischen Anschauungen, welche von 
diesem aus falschen Deutungen seiner Versuche entwickelt und nur 
zu Zwecken der Systematik verwertet wurden, gefallen waren, liess 
man in der Chemie die unzweifelhaft vorhandenen engen Beziehungen 
zwischen chemischen und elektrischen Erscheinungen ganz ausser Be- 
tracht. Gegenwärtig erweisen sich zum zweiten Male diese Bezieh- 
ungen als grundlegend, und zwar für das höchste wissenschaftliche 
Problem der Chemie, für die Frage nach den Gesetzen der chemischen 
Verwandtschaft. 
Die erste Andeutung dieser neuen Ideenreihe findet sich bei Hittorf, 
welcher darauf hinwies, dass in der Leitfähigkeit der elektrolytischen Stoffe 
zich die Beweglichkeit ihrer Bestandteile, d. h. ihre Fähigkeit, Reaktionen 
auszuüben, offenbare. Hierzu kommen andererseits die von Williamson und 
Clausius eingeführten Anschauungen, dass die chemischen Gleichgewichts- 
zustände stationäre seien, d. h. nicht Ruhezustände, sondern solcher glei- 
cher und entgegengesetzter Umwandlungen. Indessen waren diese Ideen 
wesentlich qualitativer Natur. Feste und zahlenmässige Beziehungen zwi- 
schen den elektrischen und chemischen Eigenschaften wurden erst von 
8. Arrhenius (1884) aufgestellt. 
Es ist oben mehrfach gezeigt worden, dass eine Reihe sehr ver- 
schiedener Erscheinungsgebiete, insbesondere die Abweichungen der 
Salzlösungen von den allgemeinen Lösungsgesetzen, sowie die Erschei- 
nungen der Elektrizitätsleitung in Elektrolyten durch die Annahme, 
dass die Salze und ähnlichen Stoffe in ihren wässerigen Lösungen in 
Ionen dissociiert sind, ihre gemeinsame Erklärung findet. Eine gleiche 
Erklärung finden die oben empirisch erlangten Gesetze der chemischen
	        
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