Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

136 Stöchiometrie 
dern an die Stelle des Index oder des Exponenten. Ein Irrtum kann 
dadurch nicht veranlaßt werden, und für zusammengesetztere Formeln 
wird in erwünschter Weise Raum gewonnen. 
Der Inhalt der chemischen Formeln ist durch die Bezeichnung der 
Art und Anzahl der Atome nicht erschöpft. Zunächst geben sie, da 
die Kenntnis der relativen Verbindungsgewichte vorausgesetzt wird, 
gleichzeitig vollständige Auskunft über die Massenverhältnisse der Ele- 
mente in der Verbindung. Ferner aber sucht man durch sie eine 
hypothetische Vorstellung von den engeren oder weiteren Beziehungen 
zu geben, in welchen die Atome innerhalb der zusammenhängenden 
Atomgruppe oder Molekel zueinander stehen. Mit Rücksicht auf diese 
Absicht schreibt man Konstitutionsformeln, in welchen diese Be- 
ziehungen durch die räumliche Anordnung der einzelnen Zeichen zur 
Darstellung gebracht werden. 
Bestimmung der Verbindungsgewichte. Nach den S. 130 gege- 
benen Auseinandersetzungen existiert für jedes Element eine bestimmte 
Zahl, welche für sich, oder nach Multiplikation mit einer ganzen Zahl 
die Masse und das Gewicht bestimmt, mit welchem das Element Ver- 
bindungen eingeht. Diese Zahl, das Verbindungsgewicht, läßt sich 
zunächst nur relativ bestimmen, d.h. man muß sie für irgend ein Ele- 
ment willkürlich festsetzen, und die Verbindungsgewichte der anderen 
Elemente auf diesen Wert beziehen. 
Im Sinne der Atomhypothese sind diese Zahlen nichts als die rela- 
tiven Massen oder Gewichte der Atome und man pflegt sie daher 
kurzweg die Atomgewichte zu nennen. Wir können in der Folge den 
nypothetischen Namen Atomgewicht, der in der chemischen Literatur 
allgemein gebräuchlich ist, benutzen, wo kein Irrtum von Belang durch 
seinen Gebrauch zu befürchten steht. 
Die Bestimmung der relativen Verbindungs- oder Atomgewichte war 
die wichtigste Aufgabe, welche nach Entdeckung der stöchiometrischen 
Grundgesetze der Experimentalchemie entgegentrat. Denn waren ein- 
mal diese Konstanten bestimmt, so waren dadurch die Gewichtsver- 
hältnisse in allen chemischen Verbindungen mit demselben Grad der 
Genauigkeit berechenbar, nachdem in ihnen die verhältnismäßige An- 
zahl der verschiedenen Atome durch eine Analyse von annähernder 
Genauigkeit bestimmt war. 
Zunächst widmete sich dieser Aufgabe fast allein Berzelius, und 
führte sie mit einer für jene Zeit ganz außerordentlichen Sicherheit 
und Genauigkeit in weitem Umfange durch. Seine Zahlen genossen 
daher das größte Vertrauen, zunächst auf dem Kontinent. In England 
waren infolge einer später zu besprechenden Hypothese etwas ab- 
weichende Zahlen in Gebrauch. Als aber bei einer Prüfung ihrer 
Richtigkeit durch Turner die Werte von Berzelius eine glänzende 
Bestätigung erhielten, erreichte das Vertrauen in deren Genauigkeit den 
Höhepunkt. 
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