Die chemische Konstitution
269
in demselben Magnetfelde bewirken, wenn die Längen beider Säulen
sich wie ihre Räumigkeiten verhalten. Ist @ der Drehungswinkel, wel-
chen eine Säule von der Länge 1 des Stoffes, dessen Dichte d ist,
zeigt, und sind wo, 19 und da die entsprechenden Zahlen für Wasser
von gleicher Temperatur, so ist die spezifische Rotation r — A
0
Die molare Rotation ist das Verhältnis der Drehungen molarer Men-
gen, und hat zum Wert:
M colode . M
0 ld 0 ort
wo M das Molargewicht des Stoffes, 18.01 das des Wassers ist. Die
molare Rotation des Wassers ist somit gleich Eins angenommen worden.
Bei einer Vergleichung der magnetischen Molarrotationen verschie-
dener Stoffe ergab sich ein additiver Charakter dieser Eigenschaft nur
beim Aufsteigen in den homologen Reihen; in denselben bedingt jedes
CH, eine Zunahme von 1.023 Einheiten. Dieser Wert ist für alle
Verbindungsreihen der gleiche. Es kann also die Molarrotation dar-
gestellt werden durch C-+ 1:023n, wo n die Zahl der CH,-Gruppen
und C eine Konstante ist, die für jede Reihe homologer Verbindungen
ihren eigenen Wert hat. Die Konstanten C sind gänzlich konstitutiven
Charakters; sie sind z. B. verschieden für normale und Isoparaffıne,
normale und Isoalkohole oder dergleichen Säuren. Auch gelten die
Formeln nur für solche Verbindungen, welche mindestens einmal Me-
thylen, CH,, enthalten; so gilt z. B. die Konstante 0.393 der norma-
len Fettsäuren nicht für Ameisensäure, HCOOH, und Essigsäure,
CH, .COOH, in welchen CH, nicht in der Kette enthalten ist.
Dadurch hat sich das magnetische Drehvermögen schon wiederholt
als nützlich erwiesen, um die Zugehörigkeit neuer Stoffe zu bestimmten
Verbindungsgruppen zu ermitteln.
Viel verwickelter als bei den einfachen Stoffen der Fettreihe zeigen
sich die Verhältnisse bei den zusammengesetzteren Stoffen, den Ver-
bindungen der aromatischen Reihe und allgemein den zyklischen Ver-
bindungen. Hier treten die konstitutiven Einflüsse derartig in den Vor-
dergrund, daß von der additiven Grundlage nicht viel übrig bleibt.
Dadurch erweist sich die magnetische Drehung als etwa zwischen den
Molarvolumen und Molarrefraktionen einerseits, den Siedepunkten an-
dererseits in der Mitte stehend. Sie ist stärker durch konstitutive Ver-
schiedenheiten beeinflußt, als jene Eigenschaften, und weniger als diese.
Ein vergleichendes Studium der Stoffe unter diesem Gesichtspunkt ist
systematisch noch nicht durchgeführt worden; in einigen Arbeiten von
Perkin (1896) finden sich bemerkenswerte Ansätze dazu.