Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

Chemische Kinetik 
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Massenwirkung, nach welchem die chemische Wirkung der wirk- 
samen Menge, d. h. der Stoffmenge in der Volumeinheit oder Kon- 
zentration proportional ist. Die chemische Wirkung, von der hier 
die Rede ist, kann sich nach zwei Richtungen betätigen: in der Rege- 
lung des Verlaufes der Reaktion einerseits, und in der Regelung der 
Gleichgewichtsverhältnisse nach Ablauf derselben andererseits. 
Daraus ergeben sich die beiden Gebiete: die chemische Kinetik 
und die chemische Statik. 
In bestimmtem Sinne kann man die Kinetik als die grundlegende 
Wissenschaft ansehen, da der Vorgang erst verlaufen muß, bevor sich 
das Gleichgewicht einstellt. Doch hat sie sich viel weniger entwickelt, 
als die Statik. Dies liegt einerseits darin, daß sie durch die Beziehung 
auf die Zeit eine Veränderliche mehr enthält, als die Statik, und da- 
durch notwendig eine größere Verwickelung aufweist, als diese. An- 
dererseits ist es noch nicht gelungen ein allgemeines Prinzip aufzu- 
stellen, welches über dieses Gebiet in ähnlicher Weise Auskunft gäbe, 
wie die verschiedenen, auf der Verallgemeinerung des zweiten Haupt- 
satzes beruhenden Gleichgewichtsprinzipien dies für die chemische Statik 
tun. Doch läßt sich eine wachsende Bedeutung für die Kinetik vor- 
aussehen, da einerseits der Betrag der Aufschlüsse über die Beschaffen- 
heit der chemischen Gebilde auf ihrem Wege viel größer ist, als auf 
dem der Statik, und andererseits auch für jenes noch gesuchte allge- 
meine Prinzip bereits Andeutungen vorhanden sind, die seine um- 
fassende Aussprache in absehbarer Zeit erwarten lassen. 
Chemische Kinetik. Als im Jahre 1777 der Chemiker C, F. 
Wenzel sich die Aufgabe gestellt hatte, die Ursache der chemischen 
Vorgänge, oder die Gesetze der chemischen Verwandtschaft zu er- 
forschen, mußte er vor allen Dingen eine Methode haben, diese zu 
messen. In Analogie mit der Methode, nach welcher die Ursachen 
der mechanischen Vorgänge oder der, Bewegungen gemessen werden, 
wollte er die chemischen „Kräfte“ mittels der Geschwindigkeiten messen, 
mit welchen die verschiedenen Stoffe analoge Vorgänge bewirken. 
Der Begriff der . „chemischen Geschwindigkeit“ ist durch das Ver- 
hältnis zwischen der durch den betrachteten Vorgang um- 
gesetzten Stoffmenge zu der dazu erforderlichen Zeit gegeben, 
Der Ausdruck, daß z. B. eine Gärung schneller bei höherer, als bei 
niederer Temperatur verläuft, besagt, daß unter sonst gleichen Um- 
ständen bei höherer Temperatur mehr Zucker in Alkohol und Kohlen- 
säure umgesetzt wird, als bei niederer. Mit der mechanischen Ge- 
schwindigkeit hat diese chemische nur eine ziemlich äußerliche Ähn- 
lichkeit, und man muß sich hüten, dieselbe für weitergehend zu halten. 
Die Menge der in der Zeiteinheit umgesetzten Stoffe oder die che- 
mische Geschwindigkeit irgend einer Reaktion hängt offenbar von sehr 
vielen einzelnen Umständen ab. Wenzel, welcher die chemische Ver- 
wandtschaft der Säuren zu den Metallen messen wollte, führte. seine
	        
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