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Chemische Thermodynamik
Versuche so aus, daß er die Oberflächen der Metallstücke, welche die
Wirkung der Säuren erfahren sollten, gleich machte, denn er sagte sich,
daß die in einer gegebenen Zeit aufgelöste Metallmenge der Oberfläche
proportional sein müsse. Ferner war er über die Wirkung eines ver-
schiedenen Gehaltes seiner verdünnten Säuren vollkommen im klaren:
die Wirkung muß auch dem Gehalt proportional sein. „Denn wenn
ein Saueres in einer Stunde eine Drachme von Kupfer oder
Zink auflöst, so braucht ein halb so starkes Saueres zwei
Stunden dazu, wenn nämlich die Flächen und Wärmen in
allen diesen Fällen einander gleich bleiben.“
Dieser von Wenzel ausgesprochene Grundsatz, daß die Wirkung
proportional der Konzentration des wirksamen Stoffes ist,
bildet nun in der Tat die Grundlage der chemischen Mechanik. Er
ist später von Berthollet von neuem und unabhängig von Wenzel
ausgesprochen worden, hat aber erst in neuerer Zeit die von letzterem
Dereits vorausgesehene Anwendung zur Messung „chemischer Kräfte“
erfahren.
Zunächst ist es klar, daß man eine von den Komplikationen der
Versuchsanordnung Wenzels beseitigen kann, wenn man die Anwen-
dung fester Körper aufgibt. Chemische Vorgänge, bei welchen über-
haupt keine Oberflächen in Frage kommen, kann man in F lüssigkeiten
oder Gasen erzeugen. Freilich ist in solchen der Verlauf der Vor-
gänge selbst nicht immer leicht zu messen, doch hat sich das bereits
in vielen Fällen ausführbar erwiesen.
Das Gesetz des Reaktionsverlaufes. Die ersten derartigen Mes-
sungen sind von Wilhelmy (1850) gemacht worden, welcher auch
das richtige Gesetz des Verlaufes der einfachsten Klasse chemischer
Vorgänge zuerst aufgestellt hat. Wenn nämlich bei dem Vorgange
in einer Flüssigkeit nur ein einziger Stoff betroffen wird, so kann
offenbar nach dem Prinzip der Massenwirkung die Geschwindigkeit nicht
konstant sein, sondern muß beständig abnehmen. Es werde z. B. in
der Zeiteinheit immer je 0.1 des eben vorhandenen Stoffes umgewandelt.
Dann erleiden im Verlauf der Zeiten 1, 2..... folgende Mengen
die Umwandlung:
Xeit
vorhandene Menge umgewandelte Menge
1000
0:900
0:810
0.729
0:66
Zum Beginn der Zeit ist die Menge 1.000 da, nach Verlauf der Zeit
I ist 0.100 nach der Annahme umgewandelt. Es ist dann die Menge
0:900 nachgeblieben, von der wieder ein Zehntel, d. h. 0:090 die Um-
wandlung erfährt. Alsdann ist die Menge 0:000 — 0.000 = 00-810