Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

Chemische Kinetik 
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nachgeblieben, von der wieder ein Zehntel, nämlich 0.081 umgewandelt 
wird, u. s. f. 
Nennt man also C die zu irgend einer Zeit & vorhandene Kon- 
zentration des sich umwandelnden Stoffes, und dC die Änderung‘), 
welche sie in der kleinen Zeit d&. erfährt, so wird der Satz, daß die 
Reaktionsgeschwindigkeit der Konzentration proportional ist, durch die 
Gleichung ausgedrückt 
—dC/d4 =kC. 
Hierin ist —dC/d# die Reaktionsgeschwindigkeit, oder das 
Verhältnis der umgewandelten Menge zu der entsprechenden Zeit. Das 
negative Zeichen von dC/d# ergibt sich daraus, daß durch die Reak- 
tion die Konzentration des betrachteten Stoffes abnimmt, während 
die Zeit in positivem Sinne wächst. Die Bedeutung von k ergibt sich, 
wenn man C == I setzt: k ist die Reaktionsgeschwindigkeit für die 
Konzentration Eins. 
Endliche Zeiten. Man kann diese Gleichung nicht genau an der 
Erfahrung prüfen. Denn da sich die Konzentration C während eines 
Zeitraumes d4 beständig ändert, so ist auf der rechten Seite in den 
Ausdruck kC für C ein Mittelwert zwischen dem Anfangs- und dem 
Endwerte in der Zeit d# zu setzen; wie man aber diesen berechnet, 
geht aus der Gleichung nicht unmittelbar hervor. 
Offenbar wird dieser unbekannte Mittelwert um so genauer durch 
das arithmetische Mittel beider Konzentrationen ersetzt werden können, 
je näher sich diese liegen, je kürzer also der Zeitraum d4 gewählt 
wird, Ist d# sehr klein, so sind beide Konzentrationen überhaupt 
nicht merklich verschieden, und die Unsicherheit über den Mittelwert 
verschwindet ganz. 
Wenn man also die Gleichung prüfen will, so muß man möglichst 
kleine Konzentrationsänderungen nebst den zugehörigen Zeiten messen. 
Als kleine Unterschiede großer Zahlen sind aber solche kleine Ände- 
rungen mit experimentellen Unsicherheiten behaftet, die relativ um so 
größer werden, je kleiner die Unterschiede sind. Wir haben also zwei 
sich widersprechende Forderungen zu erfüllen: möglichst kleine Unter- 
schiede wegen der Anwendbarkeit der Formel, möglichst große wegen 
der Versuchsfehler. 
Eine strenge Prüfung der Formel ist also auf diesem Wege nicht 
möglich. Wohl aber kann man durch Rechnung aus der für sehr 
kleine Zeiten d# geltenden Formel die Änderungen bestimmen, welche 
nach einer endlichen .Zeit # eingetreten sind, Hierzu muß man die 
Zeit in sehr viele kleine Teile d# zerlegen, für jeden Zeitanteil die 
Änderung — dC berechnen und alle Beträge summieren. 
Mit der Lösung solcher Aufgaben beschäftigt sich die Integralrech- 
!) Das Zeichen d bedeutet wie früher eine kleine Änderung der dahinter- 
stehenden Größe, 
Ostwald. Grundriß. 4. Aufl.
	        
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