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Chemische Thermodynamik
um so löslicher sein muß, je feiner er zerteilt ist. Man kann dies aus
der Analogie der Erhöhung des Dampfdruckes kleiner Tröpfchen (S. 95)
schließen; auch ergibt es sich aus der Betrachtung, daß die Arbeit bei
der Auflösung einer anderen Phase um so kleiner wird, je mehr Energie
durch die Bildung einer gemeinsamen Oberfläche mit dem Lösungs-
mittel herausgenommen worden war.
Phasengleichgewichte. An dieser Stelle soll noch eine allgemeine
Bemerkung gemacht werden, welche sich auf alle mehrphasigen Ge-
bilde bezieht. Für solche besteht das Gesetz, daß alle Phasen, die
miteinander im Gleichgewicht stehen, einander bei be-
liebigen anderen Gleichgewichten ersetzen können, bei
denen ein gemeinsamer Bestandteil dieser Phase in Frage
kommt. Es handelt sich hier um eine Eigenschaft der Intensitäts-
größe der chemischen Energie (S. 276), des chemischen Potentials.
Ebenso, wie zwei Körper, die mit einem dritten gleiche Temperatur
oder gleiches elektrisches Potential haben, auch untereinander in dieser
Beziehung gleich sind, so steilt sich zwischen zwei oder mehreren
Phasen im Gleichgewichte Gleichheit des chemischen Potentials her,
durch welche für die chemischen Verhältnisse ein gleicher Zustand
bewirkt wird, wie ihn z. B. Gleichheit der Temperatur für die Wärme
Jewirkt.
Um sich dieses wichtige und allgemeine Gesetz anschaulich zu
machen, denke man sich etwa eine Lösung von Wasserstoff in Wasser,
die mit Wasserstoffgas von Atmosphärendruck im Gleichgewicht steht.
Bringt man in eine solche Lösung etwas Palladium, so wird dieses aus
der Lösung (falls deren Konzentration konstant gehalten wird) eben-
soviel Wasserstoff aufnehmen, wie aus gasförmigem Wasserstoff, ob-
wohl die Konzentration in der wässerigen Lösung etwa 50mal ge-
Anger ist, als im Gase und 50000 mal geringer, als im Metall.
Dieser Satz ist ein besonderer Fall des zweiten Hauptsatzes der
Energetik, und sein Beweis liegt darin, daß man ein Perpetuum mobile
zweiter Art herstellen könnte, wenn er nicht richtig wäre. Nehmen wir
an, das Palladium sättige sich weniger aus der wässerigen Lösung, als
aus dem Gase. Dann würde man das Metall erst aus dem Gase
sättigen und es dann mit der Lösung zusammenbringen. Da es mehr
Wasserstoff enthält, als der Sättigung in der Lösung entspricht, so wird
diese Wasserstoff aus dem Metall aufnehmen und dadurch dem Gase
gegenüber übersättigt sein. Der Gasüberschuß steigert den Druck des
mit der Lösung in Berührung stehenden Gases, und man kann Arbeit
gewinnen, indem man dieses sich auf Atmosphärendruck ausdehnen
läßt. Nun kann man mit diesem Gase wieder das Palladium sättigen,
und den Vorgang wiederholen, so daß man eine unbegrenzte Menge
Arbeit bei konstanter Temperatur durch einen Kreisprozeß gewinnen
könnte. Dies ist aber ein Widerspruch gegen den zweiten Hauptsatz
und daher nicht möglich. Eine ganz ähnliche Schlußweise würde man