356
Chemische Thermodynamik
additiven Gesetz in der Regel als eine Folge der gegenseitigen Ände-
cung der Molargröße der betreffenden Flüssigkeiten auffassen.
Dampfdruck von Lösungen. Die bestimmteste Auskunft über den
Zustand der Flüssigkeiten in einer Lösung erhält man durch die Be-
stimmung ihres Dampfdruckes bzw. der Konzentration ihres Dampfes.
Denn dieser ist ein Maß für die wirksame Menge der Flüssigkeit
in jedem Zustande, d. h. für den Betrag, mit welchem sie sich an
Gleichgewichten aller Art beteiligt.
Der Beweis hierfür liegt in dem allgemeinen Satze von der Vertret-
barkeit der Phasen.(S. 354) und darin, daß für Gase und Dämpfe
das einfache Massenwirkungsgesetz gilt.
Der Dampfdruck einer Flüssigkeit aus einer ihrer Lösungen ist ein-
fachen Gesetzen unterworfen, wenn die Flüssigkeit einen sehr großen
oder ’einen sehr kleinen Anteil der Lösung bildet. Im ersten Falle
wissen. wir (S. 190), daß jeder beliebige Stoff den Dampfdruck seines
Lösungsmittels um einen Betrag vermindert, der durch das Verhältnis
N, /(N, +N,) gegeben ist. Hier ist N, die Zahl‘ der Mole des reich-
lich vorhandenen Stoffes oder des Lösungsmittels, und N, die des in
geringer Menge vorhandenen Stoffes oder des Gelösten!). Wir nennen
zur Abkürzung in Zukunft den Bruch N,/(N,; +N,) den Molenbruch
von N,, und N,/(N, + N,) den Molenbruch von N,.
Tragen wir daher auf einer horizontalen Geraden den einen Molen-
bruch von links nach rechts ab, und messen die entsprechenden
Dampfdrucke des Stoffes nach
oben, so wird die zugehörige Linie
sich am rechten Ende als eine
nach dem Anfangspunkte gerich-
tete Gerade darstellen, Fig. 36.
In diesem Gebiete ist der Dampf-
druck gleich dem Dampfdrucke
des reinen Stoffes, multipliziert mit
dem Molenbruch.
Am linken Ende, wo die Flüssig-
keit nur geringe Mengen des Stoffes
enthält, wird das Verhältnis zwischen
Teildruck und Molenbruch durch
das Henrysche Gesetz gegeben sein. Denn es ist offenbar für dessen
Gültigkeit gleichgültig, bei welchem Drucke das Gas von einer Flüssig-
keit gelöst wird; wenn überhaupt der Stoff eine gasförmige Phase oder
zinen Dampf bilden kann, so wird eine Konzentration in der Lösung
zu der im Dampfe in einem konstanten Verhältnisse stehen. voraus-
1) Die Bezeichnung Lösungsmittel und Gelöstes sind nicht so zu verstehen,
als deuteten sie auf eine wesentliche Verschiedenheit im Verhalten der beiden
an der Lösung beteiligten Stoffe. Eine solche ist nicht vorhanden, und die
Worte sollen nur die im Text angegebenen Mengenverhältnisse ausdrücken.