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Chemische Thermodynamik
haben die Form ı. Der’ Satz läßt sich auch umkehren: ist die Ge-
samtdrucklinie gerade, so sind es auch die Teildrucklinien.
Teillinien von der Form a, Fig. 36 geben Summen von der Gestalt 2
und 3. Solche nach oben konvexe Linien können entweder beständig
ansteigen, Nr. 2, oder sie gehen durch einen Maximalwert, Nr. 3. Den
gleichen Unterschied zeigen die aus Teillinien von der Form b ent-
stehenden Gesamtlinien Nr. 4 und 5.
Destillation von Lösungen. Diese Linien des Gesamtdruckes sind
wichtig, weil ihr Verlauf Auskunft über das Verhalten der Stoffe beim
Verdampfen oder Destillieren gibt.
Die Zusammensetzung des Dampfes ist nämlich von der der Flüssig-
keit im allgemeinen verschieden. In welchem Sinne, ergibt sich aus
der Richtung der Gesamtdrucklinie nach der Regel, daß die Zusammen-
setzung des Dampfes im Sinne der aufsteigenden Seite liegt. In der
Fig. 37 sei der Molenbruch der Flüssigkeit durch den Punkt a dar-
gestellt. Dann werden Lösungen, deren Gesamtdrucklinien die Formen 1,
2, 3 und 4 haben, Dämpfe entwickeln, deren Zusammensetzung durch
einen rechts von a liegenden Punkt dargestellt ist, während der Dampf
von 5 durch einen links von a liegenden Wert des Molenbruchs ge-
kennzeichnet ist. Eine Flüssigkeit von der durch b angegebenen Zu-
sammensetzung bildet bei 1, 2, 4 und 5 Dämpfe, deren Zusammen-
setzung rechts von b zu suchen ist, während die Dämpfe von 3 nach
links abweichen.
Durch die Entwicklung solcher Dämpfe wird die Flüssigkeit ihre
Zusammensetzung im entgegengesetzten Sinne ändern, so daß man
die allgemeine Regel aussprechen kann: bei der Destillation ändert
die Flüssigkeit ihre Zusammensetzung im Sinne der abstei-
genden, das Destillat im Sinne der aufsteigenden Dampf-
drucklinie.
Die Ursache dieses Verhaltens ergibt sich aus der Bedingung, daß
die betrachteten Zustände Gleichgewichte sind. Dies erfordert, daß
durch die Verdampfung bei konstanter Temperatur sich die Flüssig-
keit nur so ändern kann, daß ihr Dampfruck kleiner wird, da ande-
renfalls die eingeleitete Änderung sich freiwillig fortsetzen müßte.
Ausgezeichnete Lösungen. Einen besonderen Fall bilden die
Linien 3 und 5, welche einen höchsten bzw. niedrigsten Punkt
haben. Nach der eben ausgesprochenen Regel kann in einem solchen
Punkte der Dampf weder im einen, noch im anderen Sinne von der
Flüssigkeit verschieden sein, und daher müssen beide gleiche Zusam-
mensetzung haben. Dann aber wird der Rückstand durch die Destil-
Jation nicht geändert, und eine solche Lösung muß bei konstanter
Temperatur destillieren, d. h. sie verhält sich wie ein einheitlicher Stoff.
Solche Fälle konstant siedender oder ausgezeichneter Lösungen
sind vielfach beobachtet worden, und man hat früher derartige Lösungen
für chemische Verbindungen gehalten: ja dieser Irrtum tritt zuweilen