Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

Die chemischen Gleichgewichte zweiter Ordnung 359 
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noch heute auf. Daß es sich nur um. Lösungen handelt, geht erstens 
daraus hervor, daß die Zusammensetzung keine einfachen stöchiometri- 
schen Verhältnisse zu zeigen pflegt. Ferner ergeben Dampfdichte- 
bestimmungen die Abwesenheit chemischer Verbindung, und schließlich 
hat sich die Zusammensetzung der konstant siedenden Lösungen mit 
dem Druck als stetig veränderlich erwiesen. 
Hieraus folgt, daß man Lösungen aus zwei flüchtigen Flüssigkeiten 
nur dann durch Destillation in ihre Bestandteile sondern kann, wenn 
ihre Dampfdrucke in bezug auf die Zusammensetzung bei konstanter 
Temperatur (oder was praktisch fast auf dasselbe herauskommt, ihre 
Siedepunkte bei konstantem Druck) kein Maximum oder Minimum 
zeigen. Tritt ein solches auf, so geht die Scheidung durch Destillation 
nur bis zu einer Trennung der ausgezeichneten Lösung von dem über- 
schüssigen Bestandteil. 
Begrenzte Löslichkeit. In vielen Fällen ist die Löslichkeit zweier 
Flüssigkeiten ineinander begrenzt. Wenn man zu der Flüssigkeit A 
stufenweise kleine Mengen einer anderen B zufügt, so werden diese 
anfangs aufgelöst; ist aber eine bestimmte, von der Temperatur (und 
auch etwas vom Drucke) abhängige Konzentration erreicht, so gehen 
weitere Mengen von B nicht mehr in Lösung, sondern bleiben unver- 
mischt neben der „gesättigten“ Lösung von B in A. Diese zweite 
Flüssigkeit besteht wesentlich aus B, jedoch erweist sie sich immer 
etwas von A enthaltend. Setzt man weiteres B hinzu, so vermehrt 
sich die zweite Schicht ohne ihre Zusammensetzung zu ändern; es 
sind mit anderen Worten zwei gesättigte Lösungen entstanden: eine 
vorwiegend aus A mit etwas B, und eine vorwiegend aus B mit etwas 
A bestehend. Dieses Gegenseitigkeitsverhältnis ist allgemein; nie kann 
eine Flüssigkeit A eine begrenzte Lösefähigkeit für B zeigen, ohne 
daß auch etwas A von B zu einer gesättigten Lösung aufgenommen 
würde. 
Im Sinne des Phasengesetzes ist der Fall dadurch gekennzeichnet, 
daß durch die Bildung der beiden Flüssigkeitsschichten neben Dampf 
drei Phasen bei zwei Bestandteilen vorliegen. Es ist somit eine Frei- 
heit vorhanden, und verfügt man über diese durch Bestimmung der 
Temperatur, so darf eine Änderung der Mengenverhältnisse keinen 
Einfluß mehr auf das Gleichgewicht haben. Dies geschieht dadurch, 
daß die Mengenverhältnisse der Bestandteile nur noch die Verhält- 
nisse der Phasenmengen, nicht aber ihre Zusammensetzung be- 
einflussen. Da erstere keinen Einfluß auf das Gleichgewicht haben, 
so ist die Forderung des Phasengesetzes erfüllt. 
Kritischer Lösungspunkt. Die gegenseitige Löslichkeit der teilweise 
löslichen Flüssigkeiten ändert sich mit der Temperatur meist in solchem 
Sinne, daß sie beide gleichzeitg zunehmen. Mißt man die Tempera- 
turen nach rechts, und die (durch den Molenbruch oder durch Ge- 
wichtsanteile ausgedrückte) Zusammensetzung nach oben, so gehören
	        
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