360 Chemische Thermodynamik
zu jeder Temperatur zwei Werte der Zusammensetzung, für jede
Schicht einer. Bei steigender Temperatur rücken sich diese Werte
meist näher, d. h. die beiden Lösungen werden einander ähnlicher,
und schließlich werden sie identisch. Dann können sie aber
auch nicht mehr getrennt bleiben, sondern müssen sich zu einem ein-
heitlichen Ganzen vermischen. Fig. 38
gibt eine Darstellung dieser Verhält-
nisse für einige wässerige Lösungen.
Der eben geschilderte Übergang
hat so viele Ähnlichkeit mit dem
zritischen Punkte beim Übergange
ziner Flüssigkeit in den Dampf (S. 72),
laß man ihn als den kritischen
Lösungspunkt bezeichnet. Allge-
nein nennt man einen kritischen
Dunkt einen solchen, wo zwei
Phasen nach stetiger Annähe-
ung einander gleich werden,
ınd dadurch in eine zusammentreten.
Gewöhnlich wird der kritische Lö-
zungspunkt bei ansteigender Tem-
jeratur erreicht, doch gibt es auch
Fälle, wo die Löslichkeit bei ab-
steigender Temperatur größer wird,
4 dl ınd zu einem „unteren“ kritischen
70 ar 30740 Punkt führt. Beispiele für den er-
a Phenol, b Salicylsäure, c Benzoesäure, sten Fall sind Isobuttersäure-Wasser,
d Anilinphenolat, e Anilin, Phenol-Wasser, für den zweiten Tri-
Fig, 38 äthylamin- Wasser.
Die Zusammensetzung, welcher sich die beiden Lösungen bei der
Annäherung an den kritischen Punkt nähern, ist die kritische Kon-
zentration, der kritischen Dichte in dem einfachen Falle entspre-
chend. Dagegen gibt es hier keinen kritischen Druck, denn die kritische
Lösungstemperatur ist ihrerseits eine Funktion des Druckes, wenn man
das Gebilde ohne Dampf nur aus den beiden flüssigen Phasen be-
stehen läßt. Doch ist der Einfluß des Druckes so klein, daß er nur
schwierig überhaupt hat nachgewiesen werden können.
Dampfdruck bei begrenzter Löslichkeit. Der Dampfdruck solcher
Lösungen zeigt sich mit der Zusammensetzung nach den bekannten
Gesetzen veränderlich, so lange noch keine Sättigung eingetreten ist.
Hat sich die Lösung in zwei Schichten getrennt, so bleibt bei wei-
terem Zusatze des einen Bestandteiles deren Zusammensetzung unver-
änderlich, und. nur die Anteile ändern sich. Daraus geht hervor, daß
so lange die beiden Lösungen nebeneinander vorhanden sind, der Dampf-
druck sich nicht ändern kann. denn er hängt nur von der Zusammen-