362 Chemische Thermodynamik
Destilliert man solche nicht mischbare Flüssigkeiten, so gehen, da
ihr Dampf aus den Dämpfen der Bestandteile im Verhältnis ihrer
Dampfdrucke besteht, beide in dem entsprechenden unveränderlichen
Verhältnisse über, unabhängig von dem Verhältnis der beiden Stoffe
in der Retorte. Da die beiden Mengen sich verhalten, wie die Pro-
dukte von Dampfdruck und Dichte, oder von Dampfdruck und Molar-
gewicht, so kann man bei bekanntem Dampfdruck das Molargewicht
finden.
Meist ist indessen auch der Dampfdruck unbekannt. Man findet
diesen aber, wenn man die Beziehung zwischen Dampfdruck und Tem-
peratur bei der anderen Flüssigkeit kennt, und die Temperatur des
gemeinsamen Siedens mißt. Diese liegt natürlich unterhalb der Siede-
temperatur des niedriger siedenden Stoffes, und bei der Temperatur,
bei welcher die Summe der Teildrucke beider Dämpfe gleich dem
Luftdruck ist. Man braucht daher nur den zur gemeinsamen Siede-
temperatur gehörigen Teildruck der zweiten Flüssigkeit von dem Luft-
druck abzuziehen, um als Rest den Teildruck des anderen Stoffes bei
derselben Temperatur zu finden. Freilich ist die Methode nicht sehr
genau.
Übersättigungserscheinungen sind bei Lösungen von Flüssig-
zeiten in Flüssigkeiten noch nicht sicher nachgewiesen worden.
Lösungen fester Stoffe in Flüssigkeiten. Der bei Gasen stets,
und bei Flüssigkeiten oft vorkommende Fall der unbegrenzten Löslich-
keit ist bei festen Stoffen gegenüber flüssigen Lösungsmitteln ausge-
schlossen; hier gibt es nur begrenzte Löslichkeit, und somit einen
Sättigungszustand. Setzt man daher zu einer Flüssigkeit einen festen
Stoff, so wird dieser zuerst aufgelöst; bei einer bestimmten Konzen-
tration, die von der Temperatur wesentlich, vom Druck nur in sehr
geringem Maße abhängt, tritt Sättigung ein, d. h. weitere Mengen des
festen Stoffes bleiben unverändert in der Flüssigkeit liegen. Diese
Sättigungskonzentration ist nach dem allgemeinen Gesetze des Phasen-
gleichgewichts von den Mengen der Lösung und des festen Stoffes ganz
unabhängig.
Es gibt viele Zusammenstellungen von Flüssigkeiten und festen Stoffen,
bei denen wir gewohnt sind, von Unlöslichkeit zu reden. Doch gilt
für solche Fälle das eben (S. 361) Gesagte, und es ist am zweck-
mäßigsten, in jedem Falle einen, wenn auch noch so kleinen Betrag
von Löslichkeit anzunehmen. Gerade bei Lösungen fester Stoffe ist
es in letzter Zeit gelungen (durch elektrische Hilfsmittel), das Vor-
handensein und den Betrag der Löslichkeit bei Stoffen (z. B. Brom-
und Jodsilber in Wasser) nachzuweisen und zu messen. wo man früher
vollständige Unlöslichkeit annahm.
Die Bestimmung der Löslichkeit erfolgt, indem man den festen Stoff
und das Lösungsmittel zusammenbringt und bei konstanter Temperatur
aufeinander wirken läßt. Die Sättigung wird je nach der Art der Stoffe