Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

3 66. 
Chemische Thermodynamik 
keit. So lange die Beschaffenheit des festen Stoffes dieselbe bleibt, 
verläuft‘ auch die Lösungslinie ohne Sprung oder Knick. Umgekehrt 
kann man sicher sein, daß wo eine Lösungslinie unstetige Änderungen 
enthält, die Beschaffenheit des festen Stoffes unter der Lösung eine 
plötzliche Änderung erlitten hat. Solche Änderungen können von 
Polymorphie, Schmelzung, Verbindung mit dem Lösungsmittel, bez. 
Änderung eines vorhandenen Verbindungszustandes herrühren; sie be- 
ainflussen jedesmal den stetigen Verlauf der Linie. 
Die angemessene Auffassung dieser Erscheinung ist die, daß jeder 
Form des festen Stoffes eine eigene Löslichkeit zukommt. Bei Tem- 
peraturen, wo zwei verschiedene Formen des festen Stoffes unter der 
Lösung nebeneinander bestehen können, muß auch ihre Löslichkeit 
gleich sein, da sonst wieder ein Perpetuum mobile zweiter Art mög- 
lich wäre. Die beiden Lösungslinien schneiden ‚sich also in: einem 
solchen Punkte. Da außerhalb dieses Punktes eine der beiden Formen 
instabil wird, so ist es auch diese Form neben der Lösung. Doch 
sind häufig ziemlich bedeutende Überschreitungen möglich, so daß die 
Tatsache des Bestehens und Durchschneidens der mehreren Lösungs- 
linien vielfach experimentell nachgewiesen worden. ist. 
Das bekannteste Beispiel hierfür ist das Natriumsulfat, für dessen 
Löslichkeit schon von Gav-Lussac die in Fig. 41 gezeichnete Kurve 
zegeben worden ist. Die 
mit 1O bezeichnete Linie 
bezieht sich auf das ge- 
wöhnliche Glaubersalz mit 
ı:o H,O, die mit oO be- 
zeichnete auf wasserfreies 
Salz. Bei 33° verwandelt 
sich das erstere in eine 
zesättigte Lösung neben 
wasserfreiem Salz, und 
man beobachtet von dort 
ab nur die Löslichkeit 
des letzteren. Jedoch kann 
man, wenn man Keime 
von Glaubersalz sorgfältig 
ausschließt, Lösungen unter 33° herstellen, die mit wasserfreiem Salz 
im Gleichgewicht sind, und deren Zusammensetzung sich völlig stetig 
der der Lösungen über 33° anschließt, wie das durch die Verlänge- 
rung der Linie über den Durchschnittspunkt nach links zum Ausdruck 
gebracht ist. 
Unter 7 ist schließlich die Löslichkeit des Salzes mit 7 H,O dar- 
gestellt, von dessen Auftreten S. 364 die Rede war. 
Lösungswärmen. Bei der Auflösung fester Stoffe in Flüssigkeiten 
wird gewöhnlich Wärme aufgenommen, doch ist auch der umgekehrte
	        
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