Die kinetische Theorie der Gase 569
und der der anderen Molekeln ist. Die mittlere Weglänge L ist also
direkt proportional der Größe des auf je ein Molekel entfallenden
Raumes, also umgekehrt proportional n, wenn wir mit n die Anzahl
der Molekeln in der Raumeinheit bezeichnen. Sie ist ferner umgekehrt
proportional dem Querschnitt &? der Molekeln, wenn wir unter © die-
jenige Entfernung verstehen, bis zu welcher höchstens die Schwerpunkte
zweier Molekeln sich nähern können. Der genaue Ausdruck wird von
O. E. Meyer in der Gestalt gegeben:
L S=— I,
xV2.ne
Nun ist freilich sowohl n wie 5 zunächst unbekannt. Doch kann
man aus der Erscheinung, welche uns oben zu der Frage der Weg-
länge überhaupt geführt hatte, aus der Geschwindigkeit, mit welcher
sich ein Gas in einem anderen verbreitet, oder der Diffusionsge-
schwindigkeit, Schlüsse auf den Wert dieser Größe ziehen. Die
Theorie dieser Vorgänge, sowie der verwandten Reibung und Wärme-
leitung in Gasen ist freilich trotz vieler dahin gerichteter Anstreng-
ungen noch keineswegs vollständig ausgearbeitet, doch ist man schon
so weit gelangt, daß man die nach den verschiedenen Methoden er-
mittelten Weglängen ziemlich übereinstimmend gefunden hat. Sie sind
sehr klein, und betragen z. B. bei Luft unter gewöhnlichen Umständen
rund 1075 cm, fallen also auch unter die Grenze des mikroskopisch
Sichtbaren.
Größe der Molekeln. Hat man L bestimmt, so läßt sich, wie man
aus der obigen Gleichung ersieht, auch nC?, die Summe der Querschnitte
aller in der Raumeinheit enthaltenen Molekeln, berechnen. Es ergibt
sich dabei, daß z. B. in einem Kubikzentimeter Luft diese Querschnitte
mehr als 1.5 Quadratmeter ausmachen. Dies rührt von der ungeheuren
Anzahl und Kleinheit der Molekeln her, denn je feiner eine Masse von
gegebener Dichte zerteilt ist, um so größer wird ihr Gesamtquerschnitt.
Die Aufgabe, die Größe der Molekeln selbst zu bestimmen, erfordert
noch ein weiteres Datum. Dieses wird durch eine Bestimmung des
Gesamtraumes der Molekeln gefunden.
Wenn die Molekeln in einer gegebenen Gasmasse einen meßbaren
Raum einnehmen, so muß dieser Umstand einen Einfluß auf die Gül-
tigkeit des Boyleschen Gesetzes haben. Sei z. B. der Durchmesser
einer Molekel, die in einem würfelförmigen Raume senkrecht zu zwei
Wänden sich bewegt, ein Hundertstel von der Entfernung dieser Wände,
so wird offenbar die Zahl der Stöße eine größere, als wenn die Mo-
lekel überhaupt keine Ausdehnung besäße, da jedesmal die Molekel
nicht die ganze Entfernung zwischen den Wänden, sondern eine um
ihren eigenen Durckmesser kleinere zurückzulegen hat. Der Druck
wird durch diesen Umstand bei abnehmendem Volum schneller wachsen
müssen. als das Bovlesche Gesetz erfordert. Es läßt sich leicht eine