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Mikrochemie
entsprechende Korrektur an dem Boyleschen Gesetz anbringen. Nennt
man b den von den Molekeln eingenommenen Raum, so ist das
Boylesche Gesetz nicht auf den gesamten Raum des Gases, sondern
auf den nicht von der Substanz der Molekeln erfüllten Zwischenraum
v—b zu beziehen (vergl. S. 55), und wir erhalten statt der Glei-
chung pv == RT vielmehr die Gleichung: p(v— bb) == RT.
Dieses Korrektionsglied b fällt um so mehr ins Gewicht, je kleiner
der Raum ist, in dem das Gas sich befindet, und kann daher nur
genau bei großen Drucken beobachtet werden. Es erklärt die Abwei-
chungen, welche Regnault beim Wasserstoff beobachtet hatte, und welche
nach den Arbeiten von Natterer und Amagat bei sämtlichen stark
zusammengedrückten Gasen auftreten (S. 55). Auf diese Weise hat
Budde (1874) berechnet, daß z. B. im Wasserstoff bei 76 cm Queck-
silberdruck b == 0.00062 ist. Von van der Waals ist dann gezeigt
worden, daß, wenn man die kinetische Hypothese annimmt, wegen
der Bewegung der Molekeln b nicht als das Molekularvolum selbst,
sondern als dessen vierfacher Wert aufzufassen ist.
Nun betragen nach den oben (S. 569) dargelegten Rechnungen die
Summen aller Querschnitte der Wasserstoffmolekeln in einem Kubik-
zentimeter bei 76cm Druck 9500 qem. Nennt man x den Durch-
messer einer würfelförmig gedachten Molekel, so muß x > 9500 gleich
dem Gesamtvolum der Molekeln, also gleich 1), >< 0:00062 ccm sein,
woraus x == 1-6 >< 1078 cm folgt.
Für die anderen Gase ergeben sich ähnliche Zahlen, die meist etwas
niedriger liegen, und deren Betrag im allgemeinen vom Atomgewicht
und der Zusammengesetztheit der Stoffe ziemlich unabhängig ist. Bei
der großen Unsicherheit, die diesen Werten noch anhaftet, kann von
ihrer Mitteilung abgesehen werden. Dagegen hat sich die gefundene
Größe für die „Dimensionen der Molekeln“ als eine Zahl erwiesen,
der auch unabhängig von der kinetischen Hypothese eine physische
Bedeutung zukommt. Sie erweist sich als die Dimension, unterhalb
deren die Stoffe andere Eigenschaften annehmen, als sie in größeren
Mengen, die wir zu betrachten gewohnt sind, aufweisen, und wir haben
ınter diesem Gesichtspunkte diese Werte oben (S. 94) erörtert. .
Anzahl der Molekeln. Aus dem Wert für die Dimensionen einer
Molekel ergibt sich alsbald der für alle Gase gültige Wert der Anzahl
der Molekeln in einem Mol, welche gemäß dem Satze von Avo-
gadro unabhängig von der Natur des Gases ist. Aus dem Werte
für die Seite der würfelförmig gedachten Molekel 1.6 >< 1078 folgt für das
Volum derselben 4-1 > 107% ccm. Da nun ı ccm Wasserstoff einen
Molekelraum von 1/4 > 0:00062 ccm hat, so ist der von einem Mol
Wasserstoff 22400 mal größer, da dies der Raum von einem Mol
Wasserstoff (und von jedem anderen Gas) im Normalzustande ist. Dar-
aus folgt ein Molekelraum von 3:47 ccm für ein Mol Wasserstoff, und
teilt man diesen durch das oben gefundene Volum der einzelnen Mo-