Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

Die chemische Wirkung des Lichtes 593 
Neuere Verfahren, Die Methode von Daguerre ist jetzt allgemein 
verlassen. Sie wurde zunächst durch das Kollodionverfahren von Scott 
Archer verdrängt. Einer Auflösung von Schießbaumwolle (Cellulose- 
nitrat) in Äther und Alkohol, welche beim Verdunsten des letzteren 
eine glasartige Schicht zurückläßt, werden Jodverbindungen (Jodcadmium, 
Jodammonium usw.), die in der Flüssigkeit löslich sind, zugesetzt. Mit 
dem Jodkollodion wird eine Glasplatte überzogen, und diese taucht man, 
nachdem die Hauptmenge des Äthers verdunstet, in eine Lösung von 
Silbernitrat. Dadurch bildet sich in der Kollodionschicht ein Nieder- 
schlag von Jodsilber, welcher lichtempfindlich ist. 
Bringt man eine solche Platte in die Camera obscura und belichtet 
die erforderliche Zeit (einige Sekunden im freien Tageslicht), so kann 
man auf der gelblich-weißen Platte keine Spur eines Bildes bemerken. 
Ein solches kommt erst zum Vorschein, wenn man die Platte mit einem 
Gemenge von Silbernitrat und einer reduzierenden Flüssigkeit, einer 
Lösung von Pyrogallol oder von Eisenvitriol usw. übergießt. Das Silber, 
welches sich aus dem Gemenge ausscheidet, lagert sich vorzugsweise 
an den Stellen an, wo das Licht gewirkt hat, und bringt ein Bild her- 
vor, in welchem der Silberniederschlag proportional der Lichtstärke ist. 
Durch Behandeln dieses „entwickelten“ Bildes mit einem Lösungsmittel 
des Jodsilbers, z. B. Cyankalium, wird das überschüssige Jodsilber ent- 
fernt und es bleibt ein Negativ, d, h. ein Bild mit undurchsichtigen 
Lichtstellen und durchsichtigen Schattenstellen zurück. 
Die Theorie des Vorganges beruht auf den Eigenschaften übersät- 
tigter Lösungen gegenüber vorhandenen Keimen. In der mit dem 
Entwickler übergossenen Schicht besteht das Bild aus metallischem Sil- 
ber!), während das Gemenge von Silbernitrat und Reduktionsmittel, 
welches den Entwickler bildet, eine in bezug auf Silber übergesättigte 
Lösung darstellt. Aus dieser Lösung scheidet sich das Silber dort aus, 
wo bereits Keime von Silber vorhanden sind, und so entsteht ein 
sichtbares Bild. Durch fortgesetzte Einwirkung des Entwicklers kann 
man diesen Niederschlag so dicht erhalten, als für den vorliegenden 
Zweck erforderlich ist. Dies gelingt ebenso mit dem frischen Bilde in 
der Jodsilberschicht, wie mit dem „fixierten“, d. h. durch Behandeln 
mit Cyankaliumlösung vom Todsilber befreiten Bilde. 
1) Durch neuere Versuche ist "sichergestellt worden, daß in der nicht 
entwickelten Kollodium - Jodsilberschicht das Bild nicht aus metallischem 
Silber, sondern aus Silberjodür oder einem ähnlichen Reduktionsprodukt 
des Jodsilbers besteht, da es durch Salpetersäure nicht zerstört wird, wohl 
aber durch Jodlösung. Für die Theorie der Entwicklung ist dies an sich wich- 
tige Ergebnis ohne Belang, da sich aus den Subhalogenverbindungen des Sil- 
bers unter dem Einflusse des Entwicklers alsbald metallisches Silber bildet, 
welches dann die oben geschilderte Rolle übernimmt, Dasselbe gilt, falls das 
primäre Belichtungsbild etwa aus einer kolloiden Lösung von Silber in über- 
schüssigem Halogensilber bestehen sollte, da sogar die Entwickelbarkeit von 
metallischen Amikronen experimentell erwiesen ist (S. 551) 
Ostwald. Grundriß. a. Aufl.
	        
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