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STÖCHIOMETRIE
Ebenso, wie an Verbindungen die Abweichungen vom gewöhnlichen Ver-
nalten sich durch eine eintretende Spaltung in einfachere Bestandteile unter
entsprechender Vermehrung des Gasvolums haben erklären lassen, können
auch einige an den elementaren Stoffen beobachtete auffällige Erscheinungen
gedeutet werden,
Von Dumas war die Dampfdichte des Schwefels bei etwa 500° gleich 384
gefunden worden, während nach den Analogien für Schwefeldampf, die
Dichte 64, der Formel S, mit dem Molargewicht 64 entsprechend, erwartet
werden mußte, Als aber später die Versuche von Bineau und namentlich
von Deville und Troost bei hohen Temperaturen wiederholt wurden,
ergab sich, daß bei etwa 800% der normale Wert von 64 erreicht wurde,
welcher weiterhin konstant bleibt. Wir haben zur Erklärung dieser Er-
scheinung anzunehmen, daß der Schwefeldampf bei niederen Temperaturen
aus Gasen von verschiedener Molargröße (hauptsächlich Sg und Se) zusammen-
gesetzt ist, und daß diese Form des Schwefeldampfes bei höherer Temperatur
und. kleinerem Druck in die einfachere‘ Form S, übergeht. Genauere Unter-
suchungen von Preuner haben ergeben, daß zwischen 300° und 850° C
und oberhalb 3 cm Druck S;, Sg und S, in wechselnden Mengen vorhanden
sind, während unterhalb 3 cm auch S, möglicherweise vorhanden ist.
Bestimmungen des Molargewichtes. von Schwefel, der in verschiedenen
Lösungsmitteln gelöst war, haben nämlich das größere Molargewicht Sg;
ergeben. Andererseits zeigt sich die Dampfdichte des Schwefels schon un-
mittelbar über seinem Siedepunkte stark mit der Temperatur veränderlich,
so daß sich der Dampf in diesem Gebiete bereits wie ein teilweise zersetzter
Stoff verhält. Es ist daher die Annahme am wahrscheinlichsten, daß im
Schwefeldampfe bei niederen Temperaturen ein Gemenge der Verbindungen
Sg und S, in wechselnden Verhältnissen vorliegt. Ob es Verbindungen von der
Formel S; und S, gibt, geht aus bisherigen Versuchen nicht ganz eindeutig
nervor.
Noch auffälliger sind die von V. Meyer (1880) beobachteten Dichte-
änderungen am Joddampf. Bis etwa 500° hinauf hat die Dichte den Wert
254 der Formel J, entsprechend. Steigert man aber die Temperatur, so nimmt
der Wert mehr und mehr ab, und man gelangt bei sehr hohen Temperaturen
(bis 1500°% und vermindertem Druck bis zu Werten um 140, welche an-
nähernd der Formel J entsprechen (Crafts und Meier, 1881).
Ähnliche Erscheinungen wie am Jod sind auch am Brom, Chlor und Phos-
phor beobachtet worden, jedoch in geringerem Umfange. .
Alle diese Tatsachen zeigen die Zweckmäßigkeit der Bildung des Begriffes
des Molar- oder Molekulargewichtes und seine Durchführbarkeit auch ver-
wickelteren Erscheinungen gegenüber. Ebenso hat er sich an der Tatsache
erprobt, daß solche Dämpfe, bei denen Molar- und Verbindungsgewicht
zusammenfallen, wie z. B. Quecksilber, auch. bis in die höchsten erreich-
baren Temperaturen keine Änderung der Dampfdichte aufwiesen. Im Sinne
der Molekularhypothese ist dies so aufzufassen, daß Molekeln, die nur je
ein einzelnes Atom enthalten, nicht weiter zerfallen können.