Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

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DIE VERDÜNNTEN LÖSUNGEN 
Um die hier obwaltenden Verhältnisse anschaulich zu machen, stelle in 
der beistehenden Fig. 29 ww die Dampfdruckkurve des Wassers dar, indem 
die Temperaturen als Abszissen, die 
Dampfdrucke als Ordinaten ein- 
getragen sind. Die Dampfdruck- 
kurve e des Eises hat bei 0° einen 
Punkt mit der des Wassers gemein 
{S. 112). Unter 0° verläuft aber die 
Dampfdruckkurve des Eises unter- 
halb der des (überkalteten) Wassers. 
Die Dampfdruckkurve einer L6ö- 
sung ll endlich verläuft unterhalb 
der des Wassers so, daß ihre Ordi- 
naten stets denselben Bruchteil von 
denen des Wassers darstellen. 
Dann ist der Gefrierpunkt der 
Lösung die Abszisse desjenigen Punktes, in welchem sich die Dampf- 
Aruckkurven des Eises e und der Lösung 1 schneiden, weil beide, wie eben 
bewiesen wurde, gleichen Dampfdruck haben müssen. 
Bei den hier in Betracht kommenden kleinen Temperaturunterschieden 
kann man die entsprechenden Teile der Dampfdruckkurven als gerade Linien 
betrachten. Es ist dann klar, daß der Schnittpunkt von e und 1 in dem- 
selben Verhältnis nach links rücken muß, in welchem 1 sich unter w senkt. 
Nun ist diese Senkung, oder die relative Dampfdrucksverminderung früher 
experimentell wie theoretisch proportional dem Gehalt der Lösung an auf- 
gelöster Substanz gefunden worden, und es muß demnach auch die Ge- 
frierpunktserniedrigung dem Gehalt proportional sein, wie es die Versuche 
ergeben hatten. 
Die Konstante r läßt sich auf folgende Weise ableiten. Wir denken uns 
eine große Menge der Lösung, welche aus n Molen des gelösten Stoffes auf 
G Gramm des Lösungsmittels besteht, in einen Zylinder mit halbdurch- 
Jässiger Wand eingeschlossen. Durch einen auf einen Kolben ausgeübten 
Druck, welcher den osmotischen Druck um ein sehr Geringes übertrifft, 
wird von dem Lösungsmittel so viel hinausgepreßt, als dem Volum ent- 
spricht, in welchem ein Mol des gelösten Stoffes enthalten ist. Die zuge- 
hörige Arbeit ist, wenn p der osmotische Druck und v das eben definierte 
Volum ist, gleich pv, welche Größe ihrerseits gleich RT ist. Dieser Vorgang 
werde bei der Schmelztemperatur T des Lösungsmittels ausgeführt. Die 
dabei herausgepreßte Menge des Lösungsmittels ist S Gramm. 
Jetzt lassen wir diese Menge des Lösungsmittels gefrieren, wobei Saw 
Wärmeeinheiten frei werden, wenn w die Schmelzwärme von I g des Lö- 
sungsmittels ist. Dann kühlt man alles um A ab, bis man den Gefrierpunkt 
der Lösung erreicht hat, bringt das Eis mit der Lösung in Berührung und
	        
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