Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

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STÖCHIOMETRIE 
Nehmen wir als Beispiel ein gewöhnliches Quecksilbermanometer, in wel- 
chem der Druck durch die Höhe der Quecksilbersäule gemessen wird. Daß 
diese Höhe dem Drucke proportional ist, liegt daran, daß die Arbeit zur 
Hebung des Quecksilbers bei einem kleinen Steigen des Manometers gleich 
ist der entsprechenden Arbeit, die der Druck bei der gleichzeitigen Ände- 
rung des Volums im Manometer leistet. Es kann überhaupt kein Manometer 
geben, bei welchem nicht durch den zu messenden Druck eine Volumände- 
rung bewirkt und daher eine Volumarbeit geleistet wird, und die Theorie 
jedes Manometers beruht auf der Gleichsetzung dieser Arbeit mit irgend- 
einer anderen, durch deren Leistung es betätigt wird, 
Durch die Berechnung der Arbeit bei einer Konzentrationsänderung der 
Lösung erfahren wir also den Druck, der in ihr herrscht, und können die 
dritte Größe in der Gasgleichung feststellen. Daraus folgt, daß jeder be- 
liebige Vorgang, durch welchen eine Änderung im Gehalte einer Lösung 
bewirkt wird, die Berechnung des osmotischen Druckes gestattet, wenn 
man nur den Vorgang wenigstens theoretisch so leiten kann, daß er um- 
kehrbar ist, und man also den Höchstwert der entsprechenden Arbeit be- 
rechnen kann. Ein jeder derartiger Vorgang kann also auch als Grundlage 
einer Methode der Molargewichtsbestimmung dienen. 
Andererseits kann bei bekanntem Molatgewicht für jeden Vorgang, welcher 
die Konzentration einer Lösung ändert, auf Grund der osmotischen Gesetze. 
die zugehörige Arbeit berechnet werden. Da nach dem zweiten Hauptsatze 
dieser Arbeitsbetrag unabhängig von dem Wege ist, auf welchem er ge- 
wonnen wird, wenn dieser nur umkehrbar ist, so ist durch die Berechnung 
der osmotischen Arbeit auch gleichzeitig der Betrag irgendeiner anderen 
Energie festgelegt, die in Gestalt von Arbeit aus dem Gebilde gewonnen 
werden kann, wenn die Lösung eine bekannte Änderung der Konzentration 
‚eines, oder mehrerer Stoffe) erleidet. Daraus ergeben sich dann die Ge- 
setze für die Umwandlung der chemischen Energie in die anderen Formen, 
denn die chemischen Vorgänge lassen sich stets darauf zurückführen, daß 
in einem gegebenen Raume die Konzentration vorhandener Stoffe eine 
Änderung erleidet. Selbst in den Fällen, wo- unmittelbar keine Änderung 
der Konzentration vorliegt, wie beim Entstehen und Verschwinden eines 
festen: Stoffes, ist es möglich, von den gleichen Gesichtspunkten aus Ge- 
setze für das Verhalten unter solchen Umständen aufzustellen, so daß die 
Lehre vom osmotischen Druck in der Tat eine fast unübersehbare Anwendung 
finden kann. 
Diesem weiten Umfange ihrer Bedeutung gegenüber darf nicht vergessen 
werden, daß.die oben abgeleiteten Gesetze nur.für verdünnte Lösungen 
gelten, und im Falle konzentrierterer durch verwickeltere Gesetze ersetzt 
werden müssen, deren Kenntnis nur in geringem Grade vorgeschritten ist. 
Tatsächlich haben wir in den unmittelbaren und mittelbaren Beziehungen 
aus den einfachen Formeln nur Grenzgesetze, die in jedem vorliegenden 
Fall eine Untersuchung darüber verlangen, innerhalb welcher Gebiete ihre 
zahlenmäßige Anwendbarkeit gesichert ist.
	        
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