DIE CHEMISCHE KONSTITUTION 213
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bekannt sind. Es ist bereits mitgeteilt worden, wie diese Möglichkeit zu
einer sehr wichtigen Wendung in der Chemie geführt hat, nämlich zur Auf-
stellung der richtigen Verbrennungstheorie durch Lavoisier.
Andererseits bedingt der Umstand, daß kein chemischer Vorgang das
Gesamtgewicht der beteiligten Stoffe ändert, auch umgekehrt, daß über
die besondere Beschaffenheit chemischer Vorgänge aus den Messungen
dieses Gewichts nichts Bestimmteres entnommen werden kann,
Selbst die Zufügung des Gesetzes von der Erhaltung der Elemente, wel-
ches die Grundlage der gesamten analytischen Chemie bildet, erweitert
den Kreis der Aufschlüsse in solchem Sinne nicht wesentlich, denn die
Analyse gestattet nicht einmal zu entscheiden, ob ein gegebenes Objekt
sine chemische Verbindung oder bloß ein Gemenge ist, in welchem die
gleichen Elemente für sich oder in irgendwelchen Verbindungen mechanisch
gemischt sind.
Um derartige Entscheidungen zu treffen, bedarf es der Heranziehung
weiterer Eigenschaften, welche auch bei gleicher elementarer Zusammen-
setzung verschieden sein können. Denn nur wenn solche Verschiedenheiten
bestehen, liegt ein Anlaß vor, Schlüsse zu ziehen, welche über die Angabe
der elementaren Zusammensetzung hinausgehen.
Die erste Frage, welche daher einem gegebenen Objekt gegenüber seitens
des Chemikers gestellt wird, ist die, ob ein gleichteiliger (homogener) Stoff
vorliegt, oder ein Gemenge. Ist die Frage im ersten Sinne entschieden, so
entsteht die zweite, ob es sich um einen reinen Stoff handelt, oder um eine
Lösung. Ist auch diese Frage im ersten. Sinne entschieden, so tritt die Frage
nach der elementaren Zusammensetzung auf, welche die Analyse zu
beantworten gestattet. Es folgt die Frage nach der Molargröße, über
welche die eben angestellten Betrachtungen Auskunft geben. Endlich folgt
die Frage nach der ‚Konstitution‘ dieses reinen Stoffes von bekannter
Zusammensetzung und Molargröße. Denn da Stoffe bekannt sind, die gleiche
Zusammensetzung und Molargröße bei verschiedenen Eigenschaften
haben, liegt notwendig noch ein weiterer Umstand vor, mit welchem der-
artige Unterschiede zusammenhängen, und diese Verschiedenheiten faßt
man unter dem allgemeinen Namen der Konstitution zusammen. Da
die Möglichkeit, Unterschiede zu erkennen, wo die Zusammensetzung keine
aufweist, auf der Verschiedenheit der spezifischen Eigenschaften und
des chemischen Verhaltens beruht, so liegen darin zwei Quellen für
die Bestimmung von Konstitutionsverschiedenheiten vor. Nun stellt die
letztere eine unvergleichlich viel größere Mannigfaltigkeit dar, als die erstere,
und so haben von jeher die chemischen Betrachtungen bei der Aufstellung
von Konstitutionsbeziehungen die vorwiegende Rolle gespielt. Die spezifi-
schen (oder physikalischen) Eigenschaften sind nur als Ergänzung und
Aushilfe dazugezogen worden. Demgemäß bilden jene chemischen Be-
ziehungen den eigentlichen Inhalt der heutigen chemischen Lehrbücher,
und die physikalischen sind mehr der als Hilfswissenschaft aufgefaßten
physikalischen Chemie zugeschrieben worden.