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STÖCHIOMETRIE ;
stellung, daß einzelne Atome einer Verbindung durch andere ersetzt werden
können, so daß der neu entstehende Stoff dem früheren analog verbleibt.
Zuerst wurden derartige Beobachtungen bei der Einwirkung des Chlors auf
wasserstoffhaltige organische Verbindungen gemacht; ein besonders prä-
gnantes Beispiel bildete die von Dumas entdeckte Trichloressigsäure, in
welcher drei Wasserstoffatome der Essigsäure durch ebensoviel Chloratome
ersetzt waren. Die enge Beziehung der neuen Säure zur Essigsäure wurde
besonders deutlich an ihrer Rückwandlung in Essigsäure, welche Melsens
entdeckte,
Mit der elektrochemischen Theorie trat die neue Betrachtungsweise auf
zwei Hauptpunkten in Widerspruch. Berzelius konnte nicht zugeben,
daß der ‚„‚elektropositive‘‘ Wasserstoff durch das „elektronegative‘ Chlor
so ersetzt werden könne, daß die Ähnlichkeit der beiden Verbindungen ge-
wahrt blieb. Andererseits widersprach die Annahme einer Substitution, des
Eintritts eines Atoms an die Stelle eines anderen, dem elektrochemischen
Grundsatz der binären Gliederung. Beide Widersprüche wurden von den
Vertretern der Substitutionstheorie energisch betont. Der erste führte zu
dem Satz, daß nur die „Stellung“ eines Atoms in der Verbindung, nicht
seine Natur auf die Eigenschaften der Verbindung von Einfluß sei. In dieser
Form ist der Satz sicher falsch und fand alsbald Widerspruch; auch konnte
A. W. Hofmann an den Bromsubstitutionsprodukten des Anilins bald
zeigen, daß zwar je nach der Stellung die Eigenschaften der substituierenden
Elemente häufig in erheblich geschwächtem Maße sich geltend machten,
verschwunden waren sie jedoch nicht.
Während hier ein Kompromiß zwischen den alten und den neuen An-
schauungen hergestellt werden konnte, siegte die zweite Idee der unitären
Konstitution der chemischen Verbindungen vollständig über die der binären
Konstitution. Diese Reform traf zusammen mit der oben geschilderten Ent-
wicklung des Begriffs der Molekel und führte zur Aufstellung der mole-
gularen Schemata, der chemischen Typen, auf die alsbald näher ein-
gegangen werden soll.
Das Substitutionsgesetz wurde inzwischen mehr und mehr erweitert.
Man erkannte, daß nicht nur Chlor, Brom oder Jod den Wasserstoff organi-
scher Verbindungen substituieren konnten, sondern auch zusammengesetzte
Komplexe. Hier stellten sich die Radikale der älteren Theorie als die wahren
Substituenten dar, wie dies namentlich von Hofmann und Würtz an den
substituierten Ammoniaken erkannt wurde. Gleichzeitig wurde die Unter-
scheidung zwischen Atom und Äquivalent vorbereitet, ein Atom Sauer-
stoff vertritt bei der Substitution nicht ein, sondern zwei Atome Wasserstoff
and hat daher diesem gegenüber den doppelten Substitutionswert.
Die Typentheorie. Dumas hatte bei der Erfassung der Substitutions-
idee 'dieselbe seiner Gewohnheit gemäß alsbald einseitig in ihre äußersten
Konsequenzen verfolgt, indem er nur die Anordnung der Atome, nicht ihre
Natur als bestimmend für die Eigenschaften der Verbindungen ansah. Für
ihn lag daher unmittelbar die Aufgabe vor, diese wesentlichen Formen zu