DIE CHEMISCHE KONSTITUTION
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erweisen sich größtenteils als konstitutiv. Dies ergibt sich bereits aus
dem‘ Umstande, daß man isomere Stoffe voneinander unterscheiden kann,
denn dies beruht ja auf der Verschiedenheit ihrer Ei genschaften. Sind
diese aber bei gleich zusammengesetzten Stoffen verschieden, so sind sie
ben konstitutiv.
Diese konstitutive Beschaffenheit kann indessen in sehr verschiedenem
Maße entwickelt sein. Auf der einen Seite haben wir solche Eigenschaften,
welche in ihren Grundzügen noch deutlich additiv sind, so daß über das
additive Schema sich die konstitutiven Besonderheiten nur wie Abweichungen
oder Unregelmäßigkeiten hinlagern. Es hat lange Zeit in der Wissenschaft
die Tendenz bestanden, durch geeignete Formulierung der betreffenden
Beziehungen jene konstitutiven Abweichungen womöglich herauszuschaffen,
damit das rein additive Schema nachblieb. Im allgemeinen hat man hiermit
keinen Erfolg gehabt, und es ist vom wissenschaftlichen Standpunkt jeden-
falls zweckmäßiger, das Bestehen solcher Einflüsse als gegeben anzunehmen
und sich weiter zu bestreben, für diese ihre besonderen Gesetzmäßigkeiten
ausfindig zu machen. Allerdings handelt es sich hierbei um eine etwas dornige
Aufgabe, denn die Konstitutionsverschiedenheiten lassen sich ihrerseits auch
nicht einfach schematisieren. Da aber in gewissen Fällen (z. B. beim Ver-
gleich gesättigter Verbindungen mit solchen der Benzolreihe), wo große und
einigermaßen regelmäßige Konstitutionsverschiedenheiten vorhanden sind,
auch entsprechend einfache und deutliche Gesetzmäßigkeiten zutage ge-
treten sind, so erscheint die Aufgabe, wenn auch schwierig, doch immerhin
lösbar. Es sollen nachstehend die verschiedenen Eigenschaften nach Maß-
gabe ihrer zunehmenden konstitutiven Abhängigkeit in Betracht gezogen
werden.
Die Molarvolume fester Stoffe. Nachdem durch Gay-Lussac bei den
Gasen die bekannten durchgreifenden Gesetzmäßigkeiten gefunden worden
waren, entstand naturgemäß alsbald die Frage, ob sich solche nicht in den
anderen Formarten wiederfinden würden. Die Antwort, welche das Experi-
ment auf diese Frage gab, ist im allgemeinen verneinend gewesen; es hat
sich im Gegenteil herausgestellt, daß es sich um eine wesentlich additive
Eigenschaft handelt.
Zunächst trat allerdings mehr ihre konstitutive Beschaffenheit zutage,
als sich bei den betreffenden Berechnungen herausstellte, daß das Volum
einer festen oder flüssigen Verbindung im allgemeinen verschieden von
der Summe der Volume der Bestandteile ist. Um diese Rechnungen einfach
und übersichtlich führen zu können, sind zunächst die Begriffe Atom-
volum und Molarvolum einzuführen und zu definieren. Unter Atom-
volum versteht man das Volum in ccm, welches ein Verbindungsgewicht
ües betreffenden Elements in Grammen einnimmt. Es ergibt sich einfach
als das Produkt aus der Räumigkeit in das Verbindungsgewicht. Da in
den Lehrbüchern und Abhandlungen sich gewöhnlich die Dichte an Stelle
der Räumigkeit angegeben findet, so hat man deren reziproken Wert zu
nehmen, d. h. man dividiert die Dichte in das Atomgewicht. um das Atom-