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STÖCHIOMETRIE
Schema festzustellen. Doch ist mit Bewußtsein in dieser Richtung bisher
kaum gearbeitet worden.
Die bisherigen Betrachtungen bezogen sich auf die Molarvolume, wie sie
bei den Siedepunkten der Stoffe unter Atmosphärendruck gemessen wurden.
Man kann sich fragen, ob die Wahl dieser Temperaturen als vergleichbarer
berechtigt ist. Die einzige einigermaßen begründete Kritik, welche hier
geübt werden kann, beruht auf dem Theorem der vergleichbaren Zustände
von van der Waals (S. 79). Hiernach müßten es nicht die Siedepunkte
anter gleichem Drucke, sondern unter gleichen Bruchteilen der kritischen
Drucke sein, bei denen die Volume vergleichbar werden. Daß man auch
bei den gewöhnlichen Siedepunkten Regelmäßigkeiten gefunden hat, wäre
auf den Umstand zurückzuführen, daß die kritischen Drucke voneinander
nicht sehr verschieden sind, und daß daher die Siedepunkte .bei gleichem
Drucke sich nicht sehr weit von vergleichbaren Zuständen unterscheiden.
In der Tat haben auch Untersuchungen über die Molarvolume bei an-
deren Temperaturen gleichen Dampfdruckes ergeben, daß sich die dort
gefundenen Gesetzmäßigkeiten in gleicher Form, nur mit etwas anderen
Zahlenwerten wiederholen. Andererseits sind in den verhältnismäßig wenigen
Fällen, wo man vergleichbare Molarvolume im Sinne von van der Waals
der Rechnung zugrunde legte, vorhandene konstitutive Abweichungen vom
additiven Schema keineswegs zum Verschwinden gebracht worden. Wenn
also auch eine Untersuchung der Frage in diesem Sinne unzweifelhaft manche
wertvolle Auskunft geben wird, so wird sich doch das allgemeine Bild zwar
schärfer, aber kaum wesentlich anders ausweisen. Auch darf nicht ver-
gessen werden, daß der Satz von den übereinstimmenden Zuständen sich
bisher nicht als ein strenges Gesetz, sondern als eine angenäherte Regel ge-
zeigt hat. Dadurch wird auch die Sicherheit seiner Anwendung auf den
vorliegenden Fall vermindert.
Lichtbrechung in Flüssigkeiten. Das Licht pflanzt sich in verschiedenen
durchsichtigen Stoffen mit sehr verschiedener Geschwindigkeit fort. Man
kann die relativen Werte derselben ermitteln, wenn man den Weg eines
Lichtstrahls verfolgt, welcher unter irgendeinem Winkel zum Einfallslot
aus einem Mittel in ein anderes tritt. Dann herrscht das Gesetz, daß der
Sinus des Einfallswinkels zum Sinus des Brechungswinkels in einem be-
ständigen Verhältnis steht, welches gleich dem Verhältnis der Lichtgeschwin-
digkeiten in beiden Mitteln ist und der Brechungskoeffizient genannt wird.
In isotropen Körpern, nämlich Flüssigkeiten, amorphen festen Körpern
and regulären Kristallen pflanzt sich das Licht nach allen Richtungen gleich
schnell fort; sie haben also nur einen Brechungskoeffizienten. Einachsige
und dreiachsige Kristalle haben dagegen je nach der Richtung unendlich
viele verschiedene Brechungskoeffizienten, unter denen sich zwei bzw. drei
ausgezeichnete Werte befinden. Wegen dieser Verwicklung beschränken sich
die nachstehenden Betrachtungen zunächst ausschließlich auf Flüssigkeiten.
Beobachtet man die Ablenkung eines weißen Lichtstrahls durch ein Flüssig-
keitsprisma, so erhält man ein Spektrum, indem die verschiedenen Farben