Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

THERMOCHEMIE 2 7 5 
nur die Massen- sondern auch die Energieverhältnisse zur Darstellung 
bringen, Dies beruht darauf, daß auch die Energie eine Größe in strengem 
Sinne, nämlich unbeschränkt addierbar ist. Wenn wir z. B. die Gleichung 
schreiben: 
Pb + 2] = PbJ, 
so besagt sie, daß sich aus Blei und Jod Jodblei bildet, und zwar aus 207°1 g 
Blei und 253°9 g Jod 461°0 g Jodblei. Sollen die Zeichen aber nicht die 
Gewichtsmengen der Stoffe, sondern auch die Energiemengen, welche sie 
kennzeichnen, darstellen, so ist die Gleichung unvollständig. Denn bei der 
Bildung des Jodbleis wird Wärme frei, und zwar 167 kj, um soviel ist die 
Energie des Jodbleis kleiner, als die der Bestandteile. Die entsprechende 
Energiegleichung lautet demnach 
Pb + 2] = PbJ, + 167 kj, 
und bedeutet: 2071 g Blei und 253°9 g Jod enthalten ebensoviel Energie, 
wie 461°0 g Jodblei plus 167 kj. 
Die Gleichung gestattet beliebige algebraische Umformungen, und muß 
lann entsprechend verschieden gelesen werden. So bedeutet 
Pb + 2] — Pb): = 167 kj, 
der Unterschied der Energie von Blei plus Jod und Jodblei beträgt 167 J. 
Oder: Pb]: = Pb + 2] — 167 k}j, 
wenn Jodblei in Blei und Jod zerlegt wird, so müssen dabei 167 kj auf- 
genommen werden. 
Die Gleichungen sind sämtlich so zu verstehen, daß die Energie der Stoffe 
für eine und dieselbe Temperatur gelten soll. Als solche dient gewöhnlich 
die mittlere Zimmertemperatur von 18%. 
Der Energieinhalt der Stoffe ist ferner davon abhängig, in welchem Zu- 
stande sie sich befinden. Es ist am einfachsten, diesen durch Klammern 
anzudeuten.!) Ohne Klammern erscheinen Flüssigkeiten, die am meisten 
in Betracht kommen. Gase sollen mit runden, feste Körper mit eckigen 
Klammern (an Kristalle erinnernd) bezeichnet werden. Dann bedeuten die 
Gleichungen ; . 
H,O — [H,O] = 6:0 kj 
(H,O) — H,O == 40°5 kj, 
daß beim Übergange des flüssigen in festes Wasser 6°0 kj, beim Übergange 
des gasförmigen in flüssiges 40°5 kj abgegeben werden. 
Es soll noch bemerkt werden, was bisher stillschweigend vorausgesetzt 
wurde, daß die angegebenen Energie- und Wärmemengen sich auf Mole, 
d. h. auf solche Mengen der verschiedenen Stoffe beziehen, als deren Formel- 
gewicht in Grammen beträgt. 
Häufig sind die reagierenden Stoffe in sehr viel Wasser aufgelöst. Man 
bezeichnet dies, indem man hinter das chemische Zeichen die Buchstaben Aq 
1) Ich verdanke diese Form der Bezeichnung einem Fachgenossen, dessen Namen ich 
nicht mehr weiß.
	        
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