CHEMISCHE THERMODYNAMIK
Stein
Schließlich muß noch erwähnt werden, daß in ‚einigen Fällen auch das
Bunsensche Eiskalorimeter zu thermochemischen Versuchen benutzt
worden ist. Neben dem Vorzug der kleinen Substanzmengen ist als Nach-
teil die subtile Behandlung zu nennen. Zudem gestattet es nur bei der Tempe-
ratur 0° zu arbeiten, was zuweilen ein Vorteil, in vielen Fällen aber ein Nach-
teil ist.
Die Temperaturmessung. Der wichtigste. und schwierigste Teil einer
kalorimetrischen Bestimmung ist die Temperaturmessung. Man kann aller-
dings durch Verwendung enger Kapillaren und großer Gefäße sehr empfind-
che Thermometer herstellen und verwendet jetzt gewöhnlich solche, die
direkt in !/,, Grad geteilt sind, also mit dem Fernrohr noch !/,,0 Grad zu
schätzen gestatten. Doch liegt die Schwierigkeit viel weniger im Mangel
an Empfindlichkeit der Thermometer als darin, daß das Kalorimeter in
stetem Wärmeaustausch mit seiner Umgebung steht, wodurch das eigent-
liche thermische Ergebnis mehr oder weniger gestört wird. Der Fehler ist
um so größer, je kleiner das Kalorimeter ist, mit der Größe von einem halben
Liter ist das zulässige Minimum gegeben, bei welchem die zufälligen Stö-
rungen noch unterhalb der durch die Genauigkeit der Temperaturmessung
gegebenen. Grenze bleiben.
Um die Strahlung möglichst zu beschränken, poliert man das Kalori-
meter glänzend, und stellt es in einen etwas weiteren, auf der Innenseite
gleichfalls glänzend polierten Zylinder. Letzteren umgibt Berthelot mit
einem großen Doppelgefäß aus Weißblech, dessen Zwischenräume mit Wasser
gefüllt sind. Thomsen zieht die Anwendung von Metall- oder Papphüllen;
zwischen denen sich nur Luft befindet, vor. Eine erhebliche Verbesserung
erzielt man durch die Anwendung von Vakuummänteln, d. h. doppelwandiger
Gefäße, deren Zwischenraum hochgradig luftleer gepumpt:ist. In solchen
Gefäßen ist durch den Fortfall der konvektiven Wärmeleitung seitens der
erwärmten Luft eine vorzügliche Wärmeisolierung erzielt. ;
Die Methode, um die Temperaturmessungen von dem Einflusse der Strah-
‚ung zu befreien, rührt von Regnault her und beruht auf folgender Über-
‚egung. Die Temperaturänderung, welche das Kalorimeter während des
Versuches durch Ausstrahlung erfährt, kann innerhalb der geringen Unter-
schiede als eine lineare Funktion der Temperatur selbst angesehen werden.
Kennt man sie daher für die äußersten vorgekommenen Temperaturen, so
kann man sie für alle Zwischentemperaturen proportional interpolieren,
Um dies auszuführen, beobachtet man das Thermometer in, regelmäßigen
Zeitabschnitten (z. B. 1—3 Min.) vor dem Beginn des Versuches; daraus
ergibt sich die. Änderung für die niedrigste Temperatur, falls die Reaktion
Wärme entwickelt. Dann leitet man die Reaktion bei einem solchen. Ab-
schnitte ein, und beobachtet in gleicher Weise das Thermometer, bis die
Temperatur sich wieder proportional der Zeit ändert. Dann ist die Reaktion
zu Ende, und man erfährt die Änderung für eine Temperatur, die der höchsten
sehr nahe liegt. Indem man nun proportionale Temperaturverluste für die
inzwischen abgelesenen Temperaturen während der Reaktion ansetzt, kann
280