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DIE STOFFE
man gleiche Zeiten als solche definiert, in welchen ein un-
beeinflußter Vorgang gleiche Anteile zurücklegt. Hierbei be-
Steht allerdings die neue Schwierigkeit, daß man niemals wissen kann, ob
ein Vorgang tatsächlich unbeeinflußt ist, wenn man auch von keinen Ein-
flüssen weiß, Aber man hilft sich hierbei ähnlich wie bei der unveränderten
Aufbewahrung der Gewichtsstücke: indem man nämlich verschiedene Vor-
gänge, die unseres Wissens unbeeinflußt sind, miteinander vergleicht, und
sich überzeugt, ob die an ihnen gemessenen Zeiten einander genau pro-
portional sind.
Als einen solchen unbeeinflußten Vorgang betrachtet man die Achsen-
drehung der Erde. Sie bewirkt den Wechsel von Tag und Nacht, und man
teilt den mittleren Wert eines solchen Wechsels der Sonne gegenüber in
24 Stunden, und diese weiter in je 60 Minuten und 60 Sekunden, so daß
ein mittlerer Sonnentag 86400 Sekunden hat; als wissenschaftliche
Einheit der Zeit dient die Sekunde. Zur Kontrolle dient die Be-
wegung der Erde um die Sonne, welche von ganz anderen Bedingungen
abhängt und welche das Jahr bestimmt. Das Verhältnis beider Zeiten
ist im Laufe der Geschichte so konstant geblieben, daß Abweichungen schwer-
lich mit Sicherheit behauptet werden können, obwohl der Vergleich mit
sehr großer Genauigkeit ausführbar ist. Ebenso hat sich erwiesen, daß für
alle zeitlichen Erscheinungen auf der Erde und im Weltraum die so ge-
messene Zeit sachgemäß definiert ist, da sich zahlreiche einfache Naturgesetze
haben entdecken lassen, denen diese Messungsweise der Zeit zugrunde liegt.
Für den Raum ist zunächst die Längeneinheit definiert als die Länge
sines in Paris aufbewahrten Stabes aus Platiniridium bei der Temperatur
des schmelzenden Eises, Diese Länge heißt ein Meter, abgekürzt m. Als
wissenschaftliche Einheit dient der hundertste Teil dieser Länge, das Zenti-
meter, cm. Das Quadrat und der Würfel mit einem Zentimeter Seite sind
hiervon abgeleitete Maße der Fläche und des Raumes; sie heißen Quadrat-
5zw. Kubikzentimeter und werden qem und cbcm oder ccm geschrieben.
Die Masse und das ihr zahlgemäß gleiche relative Gewicht endlich
‚St, wie bereits berichtet, durch das Kilogramm aus Platiniridium definiert,
das gleichfalls in Paris aufbewahrt wird. Es sollte ursprünglich genau gleich
dem Gewicht von einem Kubikdezimeter Wasser im Zustande seiner größten
Dichte (bei 4° C) sein; da aber diese Definition experimentell viel ungenauer
auszuführen ist, als zwei Gewichte miteinander verglichen werden können,
So hat man sachgemäß diese letztere Definition aufgegeben und bezeichnet
jene Metallmasse als Normalwert der Masse. Durch einen glücklichen Zu-
fall ist übrigens jene vor einem Jahrhundert ausgeführte Bestimmung ziem-
lich genau geworden, denn das Gewicht von einem Kubikdezimeter Wasser
beträgt nur 0°024 g weniger, als das_des Platinkilogramms. Es wird daher
in diesem Buche ohne weiteres der Raum von einem Kilogramm Wasser
gleich einem Kubikdezimeter oder der eines g Wasser gleich einem ccm
gesetzt werden.
Hiermit sind zunächst drei Grundeinheiten definiert, mittels deren man