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KOLLOIDCHEMIE
ist noch rund siebenmal größer, als die Grenze der mikroskopischen Sicht-
barkeit. Indessen beginnen einige hergehörige Erscheinungen, insbesondere
die Molekularbewegung, bereits bei etwas größeren Abmessungen, rund
z1073 cm, wohin wohl die äußerste praktische Grenze zu legen ist, an welcher
lie dispersen Gebilde eigene Eigenschaften zu zeigen. beginnen.
Man kann demgemäß von hier ab bis zur Grenze des mikroskopisch Sicht-
baren, die wir (etwas übertrieben) bei 1075 ansetzen wollen, die erste Stufe
der mikroskopischen Teilchen ansetzen. Sie sollen nach der Bezeichnungs-
weise von Zsigmondy Mikronen heißen.
Von hier ab beginnt das Gebiet des ultramikroskopisch Sichtbaren, das
allerdings durch einen ziemlich äußerlichen Umstand, nämlich die Intensität
des verfügbaren Lichtes, begrenzt wird. Die Grenze ist etwas willkürlich
bei5 X 1077 cm angenommen worden. Diese Teilchen werden Submikronen
genannt.
Indessen ist die isolierte Existenz noch kleinerer Teilchen, die ja wegen
der Zufälligkeit jener Grenze von vornherein zu erwarten war, auf andere
Weise nachgewiesen worden. Zsigmondy hat (1906) gezeigt, daß Präparate
von reduziertem Gold, die im Ultramikroskop nichts mehr erkennen ließen,
doch die Eigenschaft zeigten, die Entstehung von Submikronen in dazu
geeigneten Lösungen außerordentlich zu beschleunigen, und hat dies sach-
gemäß auf die Wirkung vorhandener, aber noch nicht sichtbarer kleinster
individueller Goldteilchen zurückgeführt, die als Keime in der übersättigten
Lösung wirken und sich auf Kosten des dort vorhandenen Goldes vergrößern.
Diese Teilchen hat er Amikronen genannt. Ihre Größe wurde in einem
bestimmten Präparat auf etwas über 1077 cm geschätzt, doch ist dies wohl
noch nicht die untere Grenze.
Für die Größe der Gasmolekeln ergibt die kinetische Gastheorie Zahlen,
die um 1078 cm liegen. Es besteht somit ein ziemlich stetiger Anschluß.
Allerdings ist hiermit noch nicht die Grenze der physikalisch beobachtbaren
räumlichen Unstetigkeiten gegeben, da die elektrischen Erscheinungen auf
mindestens eine weitere Zehnerpotenz führen.
ZWE IUNDZWANZIG STES KAPITEL
Spezielle Kolloidchemie
D* Konzentrationsverschiedenheiten in den Grenzflächen. Die bis-
herigen Betrachtungen beruhten auf der allgemeinen Tatsache der Ober-
flächenenergie, ohne daß besondere Wirkungsweisen derselben untersucht
wurden. Doch ergab sich bereits hierbei mehrfach die Notwendigkeit, auf
solche hinzuweisen. Wir wenden uns nun der Untersuchung der stofflichen
Beeinflussungen durch die Oberflächenbildung zu.
Da die Ober- oder Grenztlächen sich allgemein als ein Sitz einer besonderen
Energie erweisen, so. folgt bereits hieraus, daß die Eigenschaften der Stoffe
in solchen Flächen andere sein müssen, als im Inneren. Denn die Eigen-