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KOLLOIDCHEMIE
Die Ursache der Adsorptionserscheinungen muß man vielmehr, wie bereits
arwähnt, in der Cberflächenenergie suchen. Auch an der Grenzfläche
fester Körper besteht eine Oberflächenspannung in gleichem Sinne wie bei
Flüssigkeiten, daß nämlich die Oberfläche sich zu verkleinern strebt und ihre
Bildung daher Arbeit beansprucht. Dies ist die Ursache der Zug- und Bruch-
festigkeit der festen Körper. Diese Oberflächenspannung wird anders, und
zwar kleiner, wenn sich die Oberfläche mit einer Schicht des adsorbierten
Gases bekleidet, und daher erfolgt der Vorgang freiwillig so lange, bis die
virtuellen Arbeiten für die Kompression des adsorbierten Gases einerseits
und für die entsprechende Verminderung der Oberflächenenergie andererseits
sich gegenseitig aufheben. Da aber noch keine Mittel bekannt sind, die Ober-
flächenspannung fester Körper genau zu messen, so ist es noch nicht möglich,
in diese Verhältnisse experimentell tiefer einzudringen. Außerdem werden
die Verhältnisse dadurch weiter verwickelt, daß oft neben der Adsorption
aoch Absorption, d. h. die Bildung einer festen Lösung eintritt.
Adsorption aus Lösungen. Ganz ähnliche Verhältnisse bestehen in dem
Falle, daß sich ein fester Körper in Berührung mit einer Lösung befindet.
Auch dann stellt sich an seiner Oberfläche eine bestimmte ÖOberflächen-
konzentration her, die mit der Konzentration in der Lösung sich ins Gleich-
gewicht setzt. Hier zeigen sich sehr erhebliche Verschiedenheiten in den
adsorbierten Mengen, die mehr von der Natur des adsorbierten gelösten
Stoffes, als von der des festen Körpers abzuhängen scheinen, indem nament-
lich Stoffe von geringer Oberflächenspannung vorherrschend in die Ober-
flächen gehen und daher adsorbiert werden (Ostwald 1894). Zwischen den
beiden Konzentrationen besteht dieselbe Form der Beziehung c = k. bb”,
wo c die Konzentration in der Lösung, b die in der Oberfläche ist. Der
Exponent m kann sehr verschiedene Werte annehmen, ist aber meist größer
als Eins.
Diese Erscheinungen sind bereits sehr lange bekannt und sind vielfach
von technischer Bedeutung. Einerseits beruht das Färben der Gespinst-
fasern wenigstens zum Teil auf derartigen Adsorptionsvorgängen, mit denen
sich in gewissen Fällen indessen auch chemische Vorgänge im engeren Sinne
verbinden. Man darf deshalb nicht allgemein von einer ‚Theorie des Färbe-
vorganges‘‘ in solchem Sinne sprechen, als müßte eine und dieselbe Theorie
über alle Vorgänge des Färbens Auskunft geben. Das Färben ist kein wissen-
schaftlicher, sondern ein technischer Begriff, der einen übereinstimmenden
Erfolg unabhängig von den angewendeten Mitteln bezeichnet. Die Wissen-
schaft aber muß die Mittel untersuchen, und wenn sie verschiedene findet,
so gibt es entsprechend verschiedene Theorien der von ihnen abhängigen
Färbungsvorgänge.
Eine andere technische Anwendung der Adsorption ist die Entfärbung
unreiner Lösungen durch Kohle, Kieselgur und andere Materialien mit großer
spezifischer Oberfläche. In vielen Fällen werden gefärbte Verunreini-
gungen besonders reichlich von solchen Stoffen adsorbiert und man bringt
deshalb derartig verunreinigte Lösungen mit feinzerteilter Kohle usw. zu-