Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

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KOLLOIDCHEMIE 
sich hier um die starken Einflüsse, welche oft selbst sehr geringe Stoffmengen 
auf die Eigenschaften kolloider Lösungen haben. 
Die häufigste von ihnen ist die Fällung oder Ausflockung der dispersen 
Phase durch den Zusatz von Elektrolyten. Der Vorgang besteht darin, 
daß auf einen solchen Zusatz hin die Molekularbewegung alsbald aufhört, 
die Teilchen sich zu größeren Verbänden vereinigen und als solche zu Boden 
fallen. Es scheint, als wäre die Aufhebung der Molekularbewegung die 
primäre Ursache dieser zusammengesetzten Erscheinung, denn man findet 
häufig die Beobachtung angegeben, daß die Bewegung beim Zusatz augen- 
blicklich aufhört, d. h. noch bevor die Teilchen Zeit gehabt haben, sich zu 
größeren Massen zu vereinigen. Die Zusätze finden sich hernach im Nieder- 
schlage vor. Hierbei ist zunächst die Annahme eines chemischen Vorganges 
wahrscheinlich; außerdem ist aber auch die Adsorption von Ionen an den 
kolloiden Teilchen nachgewiesen worden. 
Auch scheinen alle festen Stoffe im dispersen Zustande, unabhängig von 
ihrer chemischen Natur, diese Reaktion zeigen zu können; sie tritt ebenso 
bei kolloiden Metallen und Metallsulfiden, wie bei Ton. Ultramarin, Quarz 
ınd Mastix ein.!) 
Je nachdem der suspendierte Stoff positiven oder negativen Ionen- 
>harakter durch seine elektrische Wanderung zeigt, erweisen sich in den 
Salzen die Anionen oder die Kationen wirksam, und zwar in solchem 
Sinne, daß die einwertigen Ionen die größte Konzentration haben müssen, 
damit Fällung eintritt, die zweiwertigen eine geringere und die dreiwertigen 
die geringste. Die Unterschiede sind sehr groß und lassen sich ungefähr 
durch einen Ausdruck von der Form ae? = const. darstellen, wo n die 
Valenz ist. Doch sind daneben noch ausgeprägte spezifische Einflüsse vor- 
handen. Maßgebend für die Fällung ist immer nur das Ion entgegen- 
gesetzten Zeichens; von dem anderen Ion des Salzes ist die Wirkung unab- 
hängig. ; 
Auch entgegengesetzte Kolloide üben eine ähnliche fällende Wirkung 
aufeinander aus. Doch treten hier (wie auch bei den Salzfällungen) noch 
mancherlei von der Konzentration abhängige Verwicklungen ein, die hier 
nicht beschrieben werden sollen, weil sie noch nicht genügend aufgeklärt sind. 
Nichtelektrolyte wirken fast nur bei großer Konzentration, doch treten 
auch hier zuweilen individuelle Verhältnisse ein, welche starke Abweichungen 
von dieser Regel bedingen. 
Kolloide von der Art des Leims (bei denen also die disperse Phase flüssig 
ist) üben auf die Schlämme eine ausgeprägte Schutzwirkung gegen die 
eben beschriebenen Fällungsstoffe aus, indem sie das Zusammengehen der 
Teilchen und das Ausflocken schon in sehr geringen Konzentrationen ver- 
hindern. Der gleiche Umstand macht sich bei der Entstehung solcher 
') Nach einigen Vorversuchen ist eine Milch von Vaselin (gesättigtem Kohlenwasser- 
stoff), die durch Auflösen desselben in Alkohol und Eingießen in viel Wasser hergestelit 
worden war und sehr schöne Molekularbewegung zeigte, gegen Salzzusätze in hohem Maße 
unempfindlich. Sie verliert weder die Bewegung, noch flockt sie aus.
	        
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