Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

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KOLLOIDCHEMIE 
Dieser Einwand ist zuzugeben. Doch gelten die oben geführten Ableitungen 
immer noch, wenn man die Geschwindigkeit c so bestimmt, daß die Be- 
wegungsenergie aller Molekeln, wenn sie die gleiche Geschwindigkeit c hätten, 
der gesamten Bewegungsenergie gleich ist, welche. die Molekeln tatsächlich 
haben. Statt des Ausdrucks Bewegungsenergie ist also in sämtlichen vor- 
stehenden Ableitungen streng genommen der Ausdruck „mittlere Bewegungs- 
energie‘ zu setzen. Doch wird offenbar an den allgemeinen Ergebnissen 
dadurch nichts geändert. 
Von Cl. Maxwell ist die Verteilung berechnet worden, welche die Ge- 
schwindigkeiten in einem mechanischen System von der angenommenen 
Beschaffenheit erlangen, wenn ein ständiger Zustand sich hergestellt hat. 
Der Ausdruck kann nur durch sehr verwickelte Rechnung abgeleitet werden 
und hat die Form: ; 
Ye ext, 
Yır 
wo y die Wahrscheinlichkeit darstellt, daß eine Molekel die Geschwindig- 
keit x hat, wenn die wahrscheinlichste Geschwindigkeit gleich Eins gesetzt 
wird; = ist die Kreiszahl, und e die Basis der natürlichen Logarithmen. 
Mittlere Weglänge. Durch diese Betrachtung kann man sich somit schon 
ein etwas genaueres Bild von der Beschaffenheit machen, welche ein Gas 
nach der kinetischen Hypothese zeigt. Die Molekeln werden danach nach 
allen Seiten und mit sehr verschiedenen Geschwindigkeiten sich bewegen, 
und dabei beständig zusammenstoßen. Man wird für gegebene Verhältnisse 
offenbar eine mittlere Weglänge annehmen können, durch welche jede Molekel 
ungestört gehen kann, bevor sie mit einer anderen zusammentrifft. Eine 
Molekel wird auf die andere um so seltener stoßen, je weiter durchschnittlich 
die Molekeln voneinander entfernt sind, und um so häufiger, je größer ihr 
Querschnitt und der der anderen Molekeln ist. Die mittlere Weglänge L ist 
also direkt proportional der Größe des auf je eine Molekel entfallenden Raumes, 
also umgekehrt proportional n, wenn wir mit n die Anzahl der Molekeln in 
der Raumeinheit bezeichnen. Sie ist ferner umgekehrt proportional dem 
Querschnitt %? der Molekeln, wenn wir unter © diejenige Entstehung ver- 
stehen, bis zu welcher höchstens die Schwerpunkte zweier Molekeln sich 
nähern können. Der genaue Ausdruck wird von O. E. Meyer in der Gestalt 
gegeben: z 
xV2. nC? 
Nun ist freilich sowohl n wie © zunächst unbekannt. Doch kann man aus 
der Erscheinung, welche uns oben zu der Frage der Weglänge überhaupt 
geführt hatte, aus der Geschwindigkeit, mit welcher sich. ein Gas in einem 
anderen verbreitet, oder der Diffusionsgeschwindigkeit, Schlüsse auf 
den. Wert dieser Größe ziehen. Die Theorie dieser Vorgänge, sowie der ver- 
wandten Reibung und Wärmeleitung in Gasen ist freilich trotz vieler 
dahin gerichteter Anstrengungen noch keineswegs vollständig ausgearbeitet,
	        
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