Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

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DIE KINETISCHE THEORIE DER GASE I 551 
doch ist man schon so weit gelangt, daß man die nach den. verschiedenen 
Methoden ermittelten Weglängen ziemlich übereinstimmend gefunden hat. 
Sie sind sehr klein, und. betragen z. B. bei Luft unter gewöhnlichen Um- 
ständen rund 1075 cm, fallen also auch unter die Grenze des mikroskopisch 
Sichtbaren. 
Größe der Molekeln. Hat man L bestimmt, so läßt sich, wie man aus 
der obigen Gleichung ersieht, auch n%?, die Summe der Querschnitte aller in 
der Raumeinheit enthaltenen Molekeln, berechnen. Es ergibt .sich dabei, 
daß z. B. in einem Kubikzentimeter Luft diese Querschnitte mehr als 
1°5 Quadratmeter ausmachen. Dies rührt von der ungeheuren Anzahl und 
Kleinheit der Molekeln her, denn je feiner eine Masse von gegebener Dichte 
zerteilt ist, um so größer wird ihr Gesamtquerschnitt. 
Die Aufgabe, die Größe der Molekeln selbst zu bestimmen, erfordert noch 
ein weiteres Datum. Dieses wird durch eine Bestimmung des Gesamt- 
raumes der Molekeln gefunden. 
Wenn die Molekeln in einer gegebenen Gasmasse einen meßbaren Raum 
einnehmen, so muß dieser Umstand einen Einfluß auf die Gültigkeit des 
Boyleschen Gesetzes haben. Ist z. B. der Durchmesser einer Molekel, die 
in einem würfelförmigen Raume senkrecht zu zwei Wänden sich bewegt, ein 
Hundertstel von der Entfernung dieser Wände, so wird offenbar die Zahl 
der Stöße eine größere, als wenn die Molekel überhaupt keine Ausdehnung 
besäße, da jedesmal die Molekel nicht die ganze Entfernung zwischen den 
Wänden, sondern eine um ihren eigenen Durchmesser kleinere zurückzulegen 
hat. Der Druck wird durch diesen Umstand bei abnehmendem Volum 
schneller wachsen müssen, als das Boylesche Gesetz fordert. Es 1äßt 
sich leicht eine entsprechende Korrektur an dem Boyleschen Gesetz an- 
bringen. Nennt man b den von den Molekeln eingenommenen Raum, so ist 
das Boylesche Gesetz nicht auf den gesamten Raum des Gases, sondern 
auf den nicht von der Substanz der Molekeln erfüllten Zwischenraum v — b 
zu beziehen (vgl. S. 52), und wir erhalten statt der Gleichung pv = RT viel- 
mehr die Gleichung: p (v— b) = RT. 
Dieses Korrektionsglied b fällt um so mehr ins Gewicht, je kleiner der 
Raum ist, in dem das Gas sich befindet, und kann daher genau nur bei 
großen Drucken beobachtet werden. Es erklärt die Abweichungen, welche 
Regnault beim Wasserstoff beobachtet hatte, und welche nach den Arbeiten 
von Natterer und Amagat bei sämtlichen stark zusammengedrückten 
Gasen auftreten (S. 51). Auf diese Weise hat Budde (1874) berechnet, daß 
z. B. im Wasserstoff bei 76 cm Quecksilberdruck b = 0-00062 ist. Von 
van der Waals ist dann gezeigt worden, daß, wenn man die kinetische 
Hypothese annimmt, wegen der Bewegung der Molekeln b nicht als 
das Molekularvolum selbst, sondern als dessen vierfacher Wert aufzu- 
fassen ist. 
Nun betragen nach den oben dargelegten Rechnungen die Summen 
aller Querschnitte der Wasserstoffmolekeln in einem Kubikzentimeter bei 
76 cm Druck 9500 qem. Nennt man.x den Durchmesser einer würfelförmig
	        
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