Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

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DIE STRAHLENDE ENERGIE 
— 555 
räumlich unstetige Beschaffenheit als sehr wahrscheinlich erwiesen. Ein 
großer Teil der elektrischen Erscheinungen hat sich nämlich auf die Betäti- 
gung elektrischer Elementarteilchen, der Elektronen, zurückführen 
lassen. . 
Demgemäß handelt es sich bei der strahlenden Energie sehr wahrscheinlich 
nicht um eine ganz für sich bestehende Energieart, deren Zusammenhang 
mit den anderen Formen nur durch die gegenseitige Umwandlung hergestellt 
wird, sondern vielmehr um eine besondere Betätigungsweise elektromagne- 
tischer Energie, ähnlich wie der Schall eine besondere Betätigungsweise von 
Bewegungs- und Volum-, bzw. elastischer Energie ist. Die ganz besonderen 
Formen dieser Betätigung und die außerordentlich große Bedeutung der- 
selben im Haushalt der Erde und auch der gesamten uns bekannten Welt 
rechtfertigen indessen vollauf die besondere Behandlung ihrer Probleme, 
zbenso wie die Wärmelehre als selbständiger Anteil der Wissenschaft behan- 
delt wird, und nicht als Sonderkapitel der Mechanik, wofür nach dem vorher 
Dargelegten (S. 545) ziemlich ausreichender wissenschaftlicher Anlaß vor- 
handen ist. 
Die Eigenschaften der strahlenden Energie. Da die strahlende Energie 
keine spezifische Energieart darstellt, so hat sie auch nicht die Eigenschaften 
einer solchen, insbesondere fehlen die charakteristischen Faktoren der Ka- 
paziıtät und Intensität. Hiermit hängt zusammen, daß sie sich weder kon- 
zentrieren noch isolieren läßt, sondern im dynamischen Gleichgewicht mit 
ihrer Umgebung gehandhabt werden muß, indem sie sich automatisch 
dildet wie umwandelt. 
Daß es sich um eine Energie handelt, wird zunächst durch die Umwand- 
Lungen nachgewiesen. Der strahlende Körper verliert Energie, auch wenn er 
nichts anderes tut, als strahlen; ebenso wird durch die Aufnahme von Strah- 
lung Energie gesammelt. Diese Energie wandert mit einer sehr großen, aber 
nicht unendlichen Geschwindigkeit durch den Raum; die Fortbewegung er- 
folgt mit 3 x 10+1% cm/sec. Geschwindigkeit dort, wo keine anderen Energien 
vorhanden sind. Sind sie vorhanden, sind insbesondere Stoffe in dem Raume 
vorhanden, so erscheint die Fortpflanzung verzögert. 
Wird die Strahlung von einem Hindernis aufgenommen und in eine unbe- 
wegte Energieart umgewandelt, so erleidet der aufnehmende Körper einen 
Druck, der gleich der spezifischen Dichte der strahlenden 
Energie ist, d. h. gleich der Energie in der Raumeinheit. Die Richtung dieses 
Druckes fällt zusammen mit der Richtung der Strahlung. Dies ergibt sich 
unmittelbar daraus, daß ein Druck gleich einer Energie, geteilt durch ein 
Volum ist. Der Druck ist geringer, wenn die Absorption, d. h. die Um- 
wandlung der Strahlung, nicht vollständig ist, und er hat den doppelten 
Wert, wenn der aufnehmende Körper die Strahlung vollständig reflektiert, 
da dann der gleiche Raum mit strahlender Energie entgegengesetzter Rich- 
tung gefüllt wird. Es ist möglich gewesen, diesen Druck zu messen, trotz 
seiner außerordentlichen Kleinheit (Lebedow 1901). Die Kleinheit rührt 
daher, daß wegen der sehr großen Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Strah-
	        
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