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Es ist hierdurch der Gedanke nahegelegt, daß überhaupt die mechanische
Masse elektrodynamischer Natur sei, ebenso wie dies bei jener veränderlichen
Masse des Elektrons der Fall ist, und es bestehen ernsthafte Bemühungen,
die bisherige mechanische Auffassung der physischen Welt durch eine
elektrodynamische zu ersetzen; Wenn diese Arbeiten auch hier zu keinem
vollständigen Resultate geführt haben, so beweisen sie doch, daß die von vielen
Philosophen behauptete gedankliche Notwendigkeit, alle Erscheinungen auf
mechanische zurückzuführen, keine Notwendigkeit, sondern nur eine Ge-
wohnheit von zweifelhafter Güte gewesen ist.
Eine andere Tatsache, welche die enge Beziehung zu den mechanischen
Eigenschaften beweist, ist die von Lenard (1878) gefundene, daß die Ab-
sorption sehr schneller Elektronenströme durch die verschiedenartigsten
Stoffe nur nach Maßgabe ihrer Dichte, nicht ihrer chemischen Beschaffen-
heit erfolgt. Es sind bisher ausschließlich mechanische Erscheinungen ge-
wesen, bei denen die Masse als maßgebender und ausreichender Faktor auf-
getreten ist, so daß man auch die Absorption der Elektronen rein mechanisch
auffassen möchte.
In gleicher Richtung liegen die Bemühungen, die ponderablen Atome als
Systeme aus Elektronen aufzufassen. Die alte chemische Hypothese von der
Zusammengesetztheit aller Elemente aus einer Urmaterie hat in neuester
Zeit durch die alsbald zu erörternden Umwandlungen der radioaktiven Ele-
mente neue Nahrung erhalten, und durch den sehr kleinen Wert der Masse
des Elektrons, demgemäß das leichteste aller Atome, das des Wasserstoffs,
bereits aus rund 1000 Elektronen bestehen müßte, hat der Einwand wegen
der irrationalen Zahlenverhältnisse der Atomgewichte sein Gewicht verloren.
Denn da von keinem Element das Verbindungsgewicht bis in die dritte De-
zimale mit voller Sicherheit bekannt ist, so könnte innerhalb der Fehler-
grenzen auf solche Weise nicht einmal die Anzahl der Elektronen in ganzen
Zahlen festgestellt werden, und von einer Prüfung, ob Bruchteile vor-
kommen, kann gar keine Rede sein.
Radioaktive Stoffe. Auf Grund einer Vermutung, die sich hernach als
uanzutreffend erwies, fand H. Becquerel (1896),.daß Uransalze auf einer
photographischen Platte einen entwickelbaren Eindruck hervorbringen, auch
wenn sie durch schwarzes Papier oder andere lichtdichte Schichten von dieser
getrennt sind. Verschiedene Uranverbindungen wirkten wesentlich propor-
tional ihrem Gehalt an Uran, doch wurden später Uranmineralien gefunden,
welche eine erheblich stärkere Wirkung aufwiesen. Unter der Voraussetzung,
daß dieses von einer Beimengung herrührt, welche eine größere Wirkung hat,
als das Uran selbst, führten P. und S. Curie an diesem Mineral (Uranpecherz)
Trennungsoperationen aus. Ähnlich, wie Bunsen seinerzeit die Spektral-
reaktion als Leitfaden für die Konzentrierung und Reindarstellung des Rubi-
diums und Cäsiums benutzt hatte, bedienten sich die Curie jener Wirkung,
oder vielmehr einer verwandten. Analog den Röntgenstrahlen, deren Analogie
als Ausgangspunkt der ganzen Untersuchungsreihe gedient hatte und welche
nicht nur die photographische Platte beeinflussen, sondern auch die Luft
>HOTOCHEMIE