Full text: Grundriss der allgemeinen Chemie

DIE CHEMISCHE VERWANDTSCHAFT 
Gesamtänderung bei vollständiger Umsetzung gibt also das 
Maß für den eingetretenen Betrag der Umsetzung, und letzterer 
wird berechnet nach der Gleichung AR 
X= 
:Ra 
Anwendungen. Der erste Autor, welcher physikalische Methoden auf 
Affinitätsprobleme in systematischer Weise angewendet hat, ist Gladstone. 
Aus dessen Forschungen ist bereits die große Mannigfaltigkeit erkennbar, 
welche die physikalischen Methoden je nach Umständen annehmen können. 
Neben der mit Vorliebe benutzten Änderung der Farbe sind noch die der 
Fluoreszenz, der Zirkularpolarisation, sowie Diffusionserscheinungen von ihm 
für den gleichen Zweck in Anwendung gebracht worden. Doch ist die quan- 
titative Ausbildung des Meßverfahrens nur teilweise durchgeführt. 
In ausgebildeter Form findet sich ein Beispiel der physikalischen Methode 
zuerst bei J. Thomsen (1869), welcher zeigte, daß mittels kalorimetrischer 
Beobachtungen über den Zustand gleichteiliger Flüssigkeiten alle erforder- 
lichen Auskünfte gewonnen werden können. 
Die Koeffizienten « und ß bedeuten hier einfach Energiemengen. Han- 
delt es sich z. B. um die Wechselwirkung zwischen Fluornatrium und Chlor- 
wasserstoff unter Bildung von Chlornatrium und Fluorwasserstoff, so ist 
® & . : 
x, die Energie von einem Mol Fluornatrium, 
A x» 3 5 „ ‚„» Chlorwasserstoff, 
Bi» 5 > „ „ Chlornatrium, 
Ba » ' .„ Fluorwasserstoff, 
I . 
n der Gleichung AR 
X= = - 
RR; 
bedeutet nun AR die Änderung der Energie des Anfangszustandes beim 
Übergang in den Zustand, bei welchem Gleichgewicht stattfindet; AR ist 
somit die Wärmeentwicklung bei der Reaktion des Chlorwasserstoffs auf 
Fluornatrium. Der Nenner ist die Energiedifferenz zwischen Fluornatrium 
plus Chlorwasserstoff und Chlornatrium plus Fluorwasserstoff, d. h. der 
Unterschied der Neutralisationswärmen der beiden Säuren. 
Nun ist die Neutralisationswärme des Fluorwasserstoffs 68:05 kj, die des 
Chlorwasserstoffs 57:48 kj; der Unterschied beträgt 10:57 kj, und es ist Ro = 
— 10:57 kj zu setzen. Andererseits wurde bei der Reaktion von ı Äq. Chlor- 
wasserstoff auf ı Äq. Fluornatrium eine Wärmeabsorption von — 9:87 beob- 
ächtet. Führt man die Werte ein, so ergibt sich: 
_ — 9:87 
X = ———— = 0°933. 
10:57 
Bei dem fraglichen Vorgange sind somit 0°933 des Äquivalents, oder 93.3 % 
der vorhandenen Menge Fluorwasserstoff durch die Salzsäure in Freiheit 
gesetzt worden.
	        
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