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DIE STOFFE
Wärmeausdehnung. Auch die Ausdehnung der Flüssigkeiten durch die
Wärme ist von ihrer Natur in hohem Maße abhängig, und hat sich noch
nicht unter allgemeine Gesichtspunkte bringen lassen. Während bei Gasen
die Beziehung gilt V“;,= Vy (1 + at), wo x der Ausdehnungskoeffizient ist,
muß man bei Flüssigkeiten noch höhere Glieder einer entsprechenden Reihe
Ve= Volt + at-+ bt? + ct®*...) benutzen. Der Ausdehnungskoeffizient
ist mit anderen Worten von der Temperatur abhängig. Solche Formeln
haben keinerlei theoretische Bedeutung und dienen nur zur Interpolation,
d. h. dazu, die Volume für zwischenliegende Temperaturen zu berechnen,
für welche keine unmittelbaren Beobachtungen vorliegen. Dieselben Dienste
leisten Kurven, deren Abszissen Temperaturen und deren Ordinaten die
Volume (oder zweckmäßiger nur die Volumzunahme) darstellen.
Von Mendelejew ist (1884) eine Formel vorgeschlagen worden, welche
die Wärmeausdehnung der Flüssigkeiten mit ziemlicher Genauigkeit durch
eine einzige Konstante zu kennzeichnen gestattet. Sie hat die Gestalt
V = L und schließt sich recht gut den gemachten Beobachtungen an;
auch steht sie in Zusammenhang mit anderen allgemeinen Eigenschaften
der Flüssigkeiten. Indessen sind Abweichungen von denselben doch meist
größer, als die Versuchsfehler gestatten, und Mendelejew betrachtet seine
Formel deshalb als ein Grenzgesetz, ähnlich wie die Gasgesetze, dem eine
ideale Flüssigkeit genau folgen würde, von dem aber die wirklichen Flüssig-
keiten je nach Umständen mehr oder weniger abweichen. Untersuchungen
über den Zusammenhang der Größe k, des ‚„Ausdehnungsmodulus‘“ mit
den anderen Eigenschaften der Flüssigkeiten haben mehrfache Beziehungen
ergeben (Walden 1909; Herz 1913).
Eine ganz besondere Stellung in bezug auf die Wärmeausdehnung nimmt
das Wasser ein, welches, wie Rumford (1802) zuerst gezeigt hat, bei der
Erwärmung von 0° aufwärts sich zuerst zusammenzieht, bis es bei 4° sein
kleinstes Volum erreicht hat; darüber hinaus dehnt es sich wie alle Flüssig-
keiten aus, und zwar für gleiche Temperaturerhöhungen um so mehr, je
wärmer es bereits ist. Bis 100° beträgt die Ausdehnung etwa 4 Prozent
des Volums bei 0°, wovon ı Prozent bis 50° und die übrigen 3 Prozent
zwischen 50° und 100° zustande kommen. (Vgl. die Tabelle S. 56 und 57.)
Da die Flüssigkeiten gegen äußeren Druck und Wärme sich untereinander
verschieden verhalten, so ist zu schließen, daß ihr Volum nicht durch all-
gemeine, von ihrer chemischen Natur unabhängige Verhältnisse bedingt ist,
wie bei Gasen, sondern durch ihre besondere. d. h. chemische Be-
schaffenheit.
Spezifische Wärme, Der Begriff der spezifischen Wärme als das Ver-
nältnis zwischen der zugeführten Wärme und der dadurch bewirkten Tem-
peraturerhöhung bezogen auf die Gewichtseinheit des betreffenden Stoffes
ist bereits (S. 38) definiert worden. Für Flüssigkeiten gilt dieselbe Definition
wie für Gase, und die experimentelle Bestimmung einer spezifischen Wärme
ist demgemäß durch dieselbe gegeben. Man bestimmt zunächst die Menge m