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DIE STOFFE
Bei den Gasen hatten wir uns überzeugt, daß je nachdem man den Druck
oder das Volumen konstant hält, zwei voneinander verschiedene Werte der
spezifischen Wärme gefunden werden. Und zwar ist die Differenz für gleiche
Volumen verschiedener Gase gleich groß und für molare Mengen zahlen-
mäßig gleich der Gaskonstanten R (S. 44). In dem Falle der Flüssigkeiten
uegen die Verhältnisse sehr viel mannigfaltiger. Der Unterschied der beiden
Werte bei Gasen rührt von der äußeren Arbeit her, welche bei gleichen
Volumen aller Gase gleich groß und im übrigen proportional der absoluten
Temperatur ist, so daß ihre Zunahme für jeden Temperaturgrad denselben
Wert hat. Bei den Flüssigkeiten ist zunächst die äußere Arbeit sehr viel
kleiner, da die Wärmeausdehnung der Flüssigkeiten nur ein geringer
Bruchteil von der der Gase ist. Ferner aber läßt sich die spezifische Wärme
der Flüssigkeiten bei konstantem Volumen experimentell nicht unmittelbar
messen, weil durch die sehr geringe Kompressibilität der Flüssigkeiten bei
der Erwärmung unter konstantem Volumen alsbald sehr hohe Drucke ent-
stehen, denen auch sehr starke Gefäße nicht widerstehen können. Man
nennt diese Vorgänge, welche für jede Flüssigkeit ein von der Temperatur
abhängiges Volum ergeben, das durch den Druck nur verhältnismäßig wenig
verändert wird, die innere Arbeit. Bei den idealen Gasen gibt es solche
innere Arbeit nicht, weil, wie wir ja wissen, die bloße Volumänderung eines
Gases ohne äußere Arbeit zu keinerlei Wärmeeffekten Anlaß gibt. Bei
Flüssigkeiten verhält es sich nicht so. Und so ist die spezifische Wärme
der Flüssigkeiten eine ziemlich zusammengesetzte Erscheinung, welche aus
der spezifischen Wärme im engern Sinne, der inneren Arbeit und endlich
(bei der üblichen Messung der spezifischen Wärme unter konstantem Druck)
der äußeren Arbeit besteht. Von diesen Größen ist die letzte nur gering-
fügig und wäre nur bei sehr genauen Messungen zu berücksichtigen. Somit
zeigt auch die spezifische Wärme der Flüssigkeiten jene besondere von der
chemischen Natur jedes einzelnen Stoffes abhängige Beschaffenheit, wie
sie bereits bei der Kompressibilität und der Wärmeausdehnung nachgewiesen
waren.
Oberflächenspannung. Eine den Flüssigkeiten eigentümliche Erschei-
nung, die bei Gasen nicht vorhanden ist, besteht in der Entwicklung einer
Oberfläche bei ihnen. Mit solch einer Oberfläche grenzt sich eine Flüssig-
zeit selbsttätig ab, wenn ihr ein Raum dargeboten wird, der größer ist als
der, den sie unter den vorhandenen Umständen für sich einnimmt.
Die Gestalt dieser Oberfläche erscheint gewöhnlich als eine Ebene; in-
dessen ist dies nur die Folge der Wirkung der Schwere, unter der die Flüssig-
keiten gewöhnlich stehen. Schließt man diesen Einfluß aus, so macht sich
eine Wirkung geltend, vermöge deren sich die Oberfläche möglichst zu ver-
kleinern strebt. Es ist somit Arbeit erforderlich, die Oberfläche zu erzeugen
loder zu vergrößern; durch ihre Verkleinerung kann umgekehrt Arbeit ge-
| wonnen werden. Daraus folgt, daß die Oberfläche der Flüssigkeiten der
Sitz einer Energie ist, deren Vorhandensein durch sie bedingt ist, und deren
Betrag sich mit ihrer Größe ändert. Man nennt diese Energieart Ober-